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Zur Rede vom „strafenden Gott“. (Und zu meinem Kirchenaustritt. Und zu Bodos Gedenken.)

Predigt MCC Köln, 31. Januar 2021
Stefan Bauer

Lesung

Einige Sätze des Propheten Jeremia:

Ich bin der Mann, der viel gelitten hat unter den zornigen Schlägen des Herrn. Ich kann um Hilfe schreien, so viel ich will – mein Rufen dringt nicht durch bis an sein Ohr. Das ruhige Leben hat er mir genommen; ich weiß nicht mehr, was Glück bedeutet. Ich habe keine Zukunft mehr, vom Herrn ist nichts mehr zu erhoffen!

An all dieses rastlose Elend zu denken ist Gift für mich und macht mich bitter. Ich will mich an etwas anderes erinnern, damit meine Hoffnung wiederkommt: Von Gottes Güte kommt es, dass wir noch leben. Sein Erbarmen ist noch nicht zu Ende, seine Liebe ist jeden Morgen neu und seine Treue unfassbar groß. Ich sage: Der Herr ist mein Ein und Alles; darum setze ich meine Hoffnung auf ihn.

Alle Gefangenen in unserem Land wurden getreten und misshandelt; unter den Augen des höchsten Gottes wurden sie um ihr Recht gebracht; Unschuldige wurden verurteilt – und das soll der Herr nicht gesehen haben? Wer sonst spricht ein Wort und es geschieht? Geschieht nicht alles auf seinen Befehl?

(Klagelieder 3, Gute Nachricht Bibel)

Vorbemerkungen

Das Thema der heutigen Predigt wurde schon bei der Themensammlung im letzten Jahr festgelegt. Wir hatten dort Themen für Gottesdienste und Andachten gesammelt, die die Gemeinde bewegen. Man konnte sich dann für ein Thema eintragen und dazu eine Predigt oder Andacht halten. Ich habe dann das Thema genommen, das schlussendlich übrigblieb: „Der strafende Gott“.

Offensichtlich gibt es Bedarf, mehr über das Thema des strafenden Gottes zu hören, aber wenig Bedarf, sich mit dem Thema des strafenden Gottes zu beschäftigen. Kein Wunder, gehört es doch zu den schwierigen und ungemütlichen Themen, die einen ratlos zurücklassen können.

Ich hatte schon ein hübsches Konzept für diese Predigt im Kopf, aber es gab in den letzten Tagen Ereignisse, die alles über den Haufen warfen und meinen Blick in eine andere Richtung lenkten.

  • Zum einen trat ich am Freitag aus der katholischen Kirche aus. Ein Schritt, der sich für mich als schwerer herausstellte, als ich ursprünglich erwartet hatte.
  • Zum anderen ist am Freitag Bodo an den Folgen einer COVID-19 Infektion verstorben.

Wie kann ich da über einen strafenden Gott reden? Das ist fühlte sich für mich schrecklich an.
Was ihr nun hört, ist also eher eine lose Sammlung von Gedanken, die versucht, dem Thema „strafender Gott“, meiner Befindlichkeit zum Kirchenaustritt und dem Tod Bodos gerecht zu werden.
Ich werde mich in dieser Predigt eher mit der „Rede vom Strafenden Gott“ beschäftigen, also damit, wie wir Menschen von Gott sprechen. Von einem strafenden Gott.

Predigt

Beginnen möchte ich deshalb mit einem Zitat von Prof. Franz Gruber, Professor für katholische Fundamentaltheologie und Dogmatik:

„Gott straft dich!“ – diese Aussage gehört zu den missbrauchtesten Formen der Gottesrede. Sie wurde immer wieder in der christlichen Erziehung und Katechese eingesetzt und hat das christliche Gottesbild furchtbar entstellt. Anstatt beim Wort „Gott“ unbedingtes Vertrauen und Hoffen zu empfinden, löste es Angst und Schrecken aus.

Prof. Franz Gruber, Professor für katholische Fundamentaltheologie und Dogmatik

Das Reden vom „strafenden Gott“ basiert auf der Bibel. In der Bibel kommen die strafenden Gottesbilder sowohl im Alten Testament als auch im Neuen Testament vor – da gibt es nichts wegzudiskutieren. Die Lesung aus den Klageliedern Jeremias zeigt sehr gut auf, in welchem Spannungsfeld wir uns befinden:
Der Gott der Bibel ist ein zorniger und strafender Gott. Er ist ein gütiger liebender Gott. Er ist ein Richtergott. Er ist ein gleichgültiger Gott.
Es sind Bilder, die sich Menschen von Gott gemacht haben. Aus guten oder schlechten Gründen.

Die Rede vom „strafenden Gott“ diente der Kirche über die Zeiten immer als Druckmittel gegenüber den Gläubigen. Schon bei Paulus finden wir einige der übelsten Reden vom „Strafenden Gott“. Und das zieht sich bis ins Heute.

Fast alle kennen das aus eigener Erfahrung: die Angst vor der Strafe Gottes, oder vor dem sogenannten Endgericht, vor dem über uns geurteilt werden soll. Ein perfektes Geschäftsmodell der Kirchen. Man denke nur an die Ablassbriefe der katholischen Kirche oder die Versuche, sich über Spenden freikaufen zu wollen.

Auch ich war am Freitag auf der Fahrt zum Amtsgericht, in dem ich meinen Kirchenaustrittstermin hatte, auf der Suche nach Zeichen oder Strafen Gottes.
Aber es gab keinen Stau, ich war in Rekordzeit dort, ich fand direkt einen Parkplatz, der Parkautomat war kaputt und ich konnte kostenfrei parken. Das ganze Procedere verlief schnell und glatt. Ich deutete dies als Gottes Einverständnis zu meinem Schritt. Trotzdem saß ich anschließend weinend in St. Agnes und betete.

Dieses persönliche Beispiel soll verdeutlichen, welche tiefen Auswirkungen die Rede vom „strafenden Gott“ auf uns hat. Welche Ängste da in uns geweckt werden, in uns schlummern und noch nach Jahrzehnten wiederbelebt werden können.

Die Rede vom „strafenden Gott“ bildet unter anderem die Basis für die Missbrauchsfälle in den Kirchen. „Du darfst nichts sagen, Gott wird dich strafen“, „Du bist selbst schuld an deinem Missbrauch, Gott wird dich strafen“ oder noch schlimmer „ich darf nichts sagen, Gott wird mich strafen“ sind Beispiele, die mir einfallen.

Somit ist der strafende Gott in uns mit einem Täter-Introjekt zu vergleichen, wie man es bei Traumata infolge von Missbrauch oft vorfindet. Viele von uns sind lebenslange Opfer der Rede vom „strafenden Gott“. Wir bekommen ihn nur schwer aus uns heraus.

Die Kirchen haben mittlerweile bemerkt, dass sie die Schraube vom „strafenden Gott“ überdreht haben. Der ehemalige Oberbestrafer der Katholischen Kirche, Papst Benedikt, ehemaliger Chef der Inquisition, sah sich sogar gemüßigt, die Enzyklika „Gott ist Liebe“ herauszugeben. Wie glaubwürdig das ist, möchte ich lieber nicht diskutieren.

Ich möchte aber nicht nur auf dem Papst herumhacken, sondern muss auch mich selbst in den Blick nehmen. Auch ich wünsche mir in schwachen Momenten einen strafenden Gott, wenn ich ohnmächtig den Trumps dieser Welt zuschaue. Einen Gott, der sie am Ende richten wird, so dass endlich Gerechtigkeit herrscht. Das verbindet mich mit Jesaja und all den anderen Figuren der Bibel.

Und jetzt will ich vom liebenden Gott reden, angesichts des Todes von Bodo. Der liebende Gott, von dem Jesus sprach und von dem auch im Alten Testament oft die Rede ist.
Bodo verstarb schlussendlich an den Folgen einer Covid-19 Infektion. Er wurde 74 Jahre alt. Ich sehe ihn vor meinem inneren Auge, wie er jeden immer freundlich mit Handschlag begrüßte. Ich habe seinen „Nerdspeak“ im Ohr, in dem es um technische Dinge ging. Ich sehe ihn vor mir, mit Ansgar Hand in Hand.

Wir Christen glauben, dass der Tod nicht das Ende ist. Ich vermute, Bodo repariert gerade pfeifend Gottes Videorecorder oder plündert Petrus‘ Süßigkeitenvorrat. Um sein Diabetes muss er sich ja nun keine Sorgen mehr machen, hat er aber zu Lebzeiten auch nicht. So beende ich meine Predigt mit einer Umdichtung des Psalm 23. Einer der wichtigsten Psalmen, die dem liebenden Gott Raum geben (ich verzichte aus verschiedenen Gründen heute auf das Gendern):

Der HERR ist dein Hirte, Bodo,
dir wird es, wo du jetzt bist, an nichts mehr mangeln.
Er weidet dich auf einer grünen Aue
und führet dich zum frischen Wasser, Kaffee und Cola.
Er erquicket deine Seele und richtet dir eine Elektronikwerkstatt ein.
Und obschon du wandertest im finstern Tal, in den vergangenen Wochen,
fürchte kein Unglück;
denn du bist jetzt bei ihm, Bodo.
Auf deine Fragen, die du im Leben hattest, weißt du nun die Antwort.
Gott bereitet vor dir jetzt den Tisch
im Angesicht deiner Lieben, mit denen du nun wieder vereint bist
und mit den Lieben, mit denen du in einigen Jahren wieder vereint sein wirst.
Er schenkt dir voll ein. Die Zeit der Entbehrungen ist vorbei.
Gutes und Barmherzigkeit
werden dich von nun an umgeben,
und du wirst sein
im Hause des HERRN immerdar.
Mach’s gut, Bodo.

 

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