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Wie kann ich einen Bogen machen um die Menschen und Glaubensgerüste, die mich davon abhalten, Jesus/G*tt nahe zu sein?

Impuls MCC Köln, Ines-Paul Baumann
15. Oktober 2023

Markusevangelium 2,1-12

In seinem Buch „Frohe Botschaft am Abgrund“ liest Andreas Bedenbender das Markusevangelium als „Krisendokument“. Der Aufstand gegen das imperialistische Römische Reich ist gescheitert; Jerusalem als zentraler Ort der erhofften Gegenwart Gottes liegt im wahrsten Sinne des Wortes in Trümmern: Die Spannung zwischen „Heilsgewißheit und realer Heillosigkeit“ ist mit den Händen zu greifen und für Bedenbender maßgeblich zum Verständnis des Markusevangeliums. Auch die heutige Evangeliumslesung deutet er vor diesem Hintergrund:

  • Der Gelähmte ist für den Autor ausgestattet „mit den Zügen des zerschlagenen und zerstreuten Gottesvolkes“. Hier liegt nicht ein einzelner glaubender Mensch in der Bahre, sondern die Gesamtheit der Glaubenden mit ihrem Glauben selbst.
    (S. 450)
  • Das „Haus“ ist für den Autor ein Ort „für die besondere Beziehung zwischen Jesus und der Gemeinschaft derer, die ihm nachfolgen; äußere Gegner haben hier nichts zu suchen“. Es geht hier also nicht um Auseinandersetzungen mit äußeren Gegnern; Ort des Geschehens ist die Gemeinschaft der Glaubenden.
    (S. 457)
  • „In der Heilung kommt die Sündenvergebung an ihr Ziel.“, schreibt der Autor. Aus seiner Sicht ist das Markusevangelium davon überzeugt, dass für die Glaubenden „eine Entwicklung zum Besseren eintreten wird“.
    (S. 460f)
  • Die in der Heilung erfüllte Sündenvergebung stellt dabei gar nicht das Highlight dar. Den Punkt, um den es hier geht, lässt das Markusevangelium im letzten Vers aussprechen: „So haben wir das noch nie gesehen“, heißt es in Vers 12. Bedenbender deutet das so, dass das Markusevangelium hier gar nicht so sehr „an der Vollmacht zur Sündenvergebung als solcher interessiert ist, sondern an einer neuen Perspektive: ‚So‘ – in solchem Licht – haben die Anwesenden diese Vollmacht noch nie gesehen.“
    (S. 462)
  • Bedenbender schließt daraus: Das Haus, in dem Jesus sich aufhält, wird zum Problem, „weil seine festen Strukturen einen freien Zugang zu Jesus unmöglich machen“; „Jesus will nicht von der Gemeinschaft der Gläubigen ‚eingemauert‘ werden“.
    Für Bedenbender ist bemerkenswert, „[d]aß Markus das christliche ‚Haus‘ hier einfach so auseinandernimmt“ – „gehört doch der Eindruck höchster Stabilität zu den für [die Metapher] konstitutiven Elementen“.
    (S. 465)

Der Versuch, einen anderen Zugang zur Nähe Gottes zu finden, steht hier im Vordergrund. Was Jesus gesagt und getan hat im Kreise derer, die ihm bereits nahe waren, ist hier nicht mal erzählenswert.

Ich kann mit diesem Blick auf den Text durchaus viel anfangen. So manches davon sehe ich auch in und um MCC:

Auch in der MCC begegnen wir immer wieder Menschen, deren Glaube darniederliegt wie gelähmt. Die ihren Glauben und die Welt eher als etwas erleben, das sie bewegungsunfähig macht:

  • vom Glauben her: was sie mit anderen Glaubenden und mit Glaubensgerüsten erlebt haben
    (im Text: die Menschenmassen und die Hauswände)
  • vom weltlichen Geschehen her: ihr Erleben und Verinnerlichen von Erfahrungen mit übermächtigen Mehrheitsstrukturen; als Beispiele seien hier genannt: Minderheitenstress, Gefühle von Scham (z.B. anders zu sein), Gefühle von Ohnmacht (z.B. zu wenig getan zu haben), lähmende Angst (vor Ausgrenzung und Gewalt), oder auch tatsächlich gemachte Gewalterfahrungen
    (im Text: das übermächtige imperialistische Römische Reich)

Es ist unser Anliegen, dass sich auch Menschen, deren Glaubensgerüst wackelig (geworden) ist, in der MCC Köln wohl und angenommen fühlen. Der Zugang zur Gemeinschaft in der MCC soll absichtlich nicht über Glaubenskurse hergestellt werden, in denen gelehrt wird, wie „richtiger Glaube“ aussieht oder ähnliches.

Auch wie im Markusevangelium die äußere Heilung und die Sündenvergebung zusammengedacht werden, gefällt mir vor diesem Hintergrund. Am Ende des Textes kann sich der vorher Gelähmte gänzlich frei bewegen – unter Menschen, aber auch vor Gott. Als würde der Text insbesondere den im Haus versammelten anderen Gläubigen zurufen: „Ihr habt kein Recht, diese Person irgendwie einzuschränken, einzuengen oder ihr und ihrer G*ttesbeziehung sonstwie im Wege zu stehen!“

Fragen, die dieser Text dann aufwirft, sind so gesehen vielleicht folgende:
Wie kann ich einen Bogen machen um die Menschen, die mich davon abhalten, Jesus/ G*tt nahe zu sein? Wie kann ich sie umgehen? Wie kann ich neue Wege finden, wenn mich ihre Traditionen oder Theologien von Jesus abhalten, anstatt mich mit G*tt zu verbinden?

Möge in der MCC stets Raum dafür sein, auch neue Zugänge zu Gott zu suchen, zu finden und auszuprobieren – auch dann, wenn wir anderen (oder ihren Spuren in uns) dafür mal auf’s Dach steigen müssen.

 

Literatur:
„Frohe Botschaft am Abgrund: Das Markusevangelium und der Jüdische Krieg“ von Andreas Bedenbender, Leipzig 2013

 

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