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Was ist deine Abstammung? (Und auf was schaust du hierfür: Gene? Queere Vorbilder? Geistliche Aktivist*innen? …)

Andacht MCC Köln, Ines-Paul Baumann
29. Oktober 2023

Römerbrief 8,15

Heute Nacht wurde die Uhrzeit um eine Stunde zurückgestellt. Auch wir wollen heute zeitlich mal einen Schritt zurückgehen.

Wo komme ich her? Wer bin ich? Was prägt mich? Was sind meine Wurzeln?

An was denkst du zuerst: queere Vorbilder? Geistliche Vorbilder? Alternative Lebensmodelle? Eine Namensgenossin? Ein*e Aktivist*in? Eine Person, die ähnliche Probleme durchgemacht hat? Du selbst in einer früheren Lebenszeit?

Manche Menschen erstellen Stammbäume ihrer Familie, wenn sie sich fragen, woher sie kommen. Genetische Abstammung gilt vielen als entscheidender Schlüssel.

Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass Kinder aus Regenbogenfamilien hier noch andere Aspekte einbeziehen. Biologisch-genetische Abstammung ist für sie nur EIN Aspekt bei der Suche nach ihren Wurzeln; ebenso wichtig sind in ihren Augen kulturelle und historische Kontexte queeren Lebens:

„kinship narratives of people raised by LGBTQ parents highlight that the desire to ‘know where we come from’ is not rooted exclusively in biogenetics. In this case, kinship stories disrupted the established biogenetic narrative, stressing the importance of LGBTQ culture and history for constructing a connection between collective and individual identity.“

Eliza Garwood: „Queering the kinship story: constructing connection through LGBTQ family narratives“
https://journals.sagepub.com/doi/pdf/10.1177/14647001211059521 (S. 30)

Auch die Evangelien arbeiten mit Stammbäumen, um zu aufzuzeigen, wo Jesus herkommt. Auch diese Stammbäume sind allerdings nicht genetisch (und damit zwingend eindeutig) bestimmt, sondern eingebettet in kulturelle und historische Narrative – und fallen dementsprechend unterschiedlich aus. Je nachdem, wie die Herkunft Jesu eingebettet werden soll, hat Jesus unterschiedliche Vorfahren. Davon abgesehen wird er vor allem als „Menschensohn“ und als „Sohn Gottes“ dargestellt.

Nun ist Jesus in der Bibel nicht das einzige Kind Gottes:

Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet; sondern ihr habt einen Geist der Kindschaft empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater!

Römerbrief 8,15 (Lutherbibel)

Paulus denkt unser Verhältnis zu Gott also nicht länger in Kategorien von Dienen, Herrschen und Furcht, sondern als ein Verhältnis, in dem wir wurzeln. Genetische Abstammung taugt hier erst recht nicht als Schlüssel. Dennoch ist hier ganz klar mitgedacht, dass sich unsere Herkunft darauf auswirkt, wer, was und wie wir sind.

Dieser Gedanke durchzieht das gesamte biblische Verständnis der menschlichen Geschichte(n). Anders als in christlichen Denkweisen oft vertreten, versteht sich die Bibel selbst eben nicht als eine Festlegung unverrückbarer Grundsätze. Sie versteht sich nicht als Verfassung oder als Grundgesetz. Es geht ihr vielmehr um eine Einbettung von Geschichte als Prozess und Deutungshorizont:

Genesis-Geschichte:
– heilige Vision der Vergangenheit

Exodus-Geschichte:
– heilige Gegenwart als Pilgerreise äußerer und innerer Befreiung

Geschichte vom Friedensreich (Propheten):
– heilige Vision von der Zukunft, der Hoffnung, der Liebe

s. Brian McLaren: „Nachfolge auf neuem Kurs“

Auch das MCC-Glaubensbekenntnis denkt historische Zusammenhänge mit:

Wir sind Teil eines fortwährenden Gesprächs über Glaubensleben und Glaubensfragen, historisch geprägt von der Schrift und den Bekenntnissen, und wir bauen auf denen auf, die vor uns dagewesen sind.

https://www.mcc-koeln.de/mcc-koln/glaubensbekenntnis/

Die Andacht heute wurzelt darin, dass Ansgar es äußerst interessant fand, im Heiligen Ansgar einen Namensvetter zu haben. Für ihn war der gemeinsame Name Verbundenheit genug, um sich näher mit dem Heiligen Ansgar befassen zu wollen. Hier ein paar Stichpunkte zu einen Recherchen:

Ansgar 800-865, auch Anskar oder Anschar
„Ich hoffe im ganzen Herzen auf die Gelegenheit, ans Werk gehen zu können, und niemand wird es
gelingen, mich von meinem Vorhaben abzubringen.“
Ansgar soll 800 oder am 8. September 801 in Fouilloy (picardisch Fouilloé) bei Corbie, jetzt im Département Somme in der Region Les Hauts de France in Frankreich, geboren sein. Nach dem Tod der Mutter kam er ins Benediktinerkloster Corbie.
Ansgar hatte mit 20 in Corbie eine Vision, in der ihm gesagt wurde: „Gehe hin! Mit der Krone des Martyriums wirst du zu mir zurückkehren.“
Ansgar soll Erzbischof von Hamburg und Bremen gewesen sein, was von einigen Wissenschaftlern angezweifelt wird.
Er wurde 823 Leiter der Schule der Abtei Corvey an der Weser, die nach der Abtei Corbie benannt worden war – Corbeia Nova.
Nach 829 baute er in Birka die erste Kirche Schwedens.
Gestorben ist er am 3. Februar 865 in Bremen.
Sein Nachfolger Rimbert (Rambert, Rembart, Rembert) verfasste die Vita sancti Ansgarii, worin er schreibt: „Er wollte den Blinden Auge, den Lahmen Fuß und den Armen ein wahrer Vater sein.“

Ansgar über den Heiligen Ansgar

In der heutigen Andacht sollen wir nun alle noch etwas Zeit bekommen, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen und daraus etwas mitzunehmen für unsere Gegenwart und Zukunft. Wenn du magst, kannst du diesen Teil gerne auch körperlich „mitgehen“. Steh auf und such dir einen Ort, an dem du „gegenwärtig stehst“. Du kannst aber auch gerne im Sitzen mitmachen.

  1. Auf wen oder was möchtest du heute schauen? Mit wem oder was möchtest du dich jetzt verbinden?
    Du kannst eine Stunde zurückgehen, einen Lebensabschnitt, eine Generation, eine Epoche, …
    Wie gesagt, das kann vieles sein – was fällt DIR ein: queere Vorbilder? Geistliche Vorbilder? Alternative Lebensmodelle? Eine Namensgenossin? Ein*e Aktivist*in? Eine Person, die ähnliche Probleme durchgemacht hat? Du selbst in einer früheren Lebenszeit?
    Versuch dabei, Verbindung aufzunehmen unter dem Aspekt, in dieser Vergangenheit Spuren Gottes finden zu können. Halte die Augen offen für eine heilige, heilende und heiligende Vision der Vergangenheit.
  2. Überlege dir eine Anzahl von Schritten, die du bis dahin zurücklegen möchtest, wo dein Verbindungspunkt in der Vergangenheit liegt.
    Drehe dich nun um und gehe diese Schritte „zurück“.
  3. Verweile.
    Was taucht auf in deinem Inneren?
    Was stärkt / verstärkt sich in dir durch diese Verbindung?
    Was (er-)klärt sich?
  4. Drehe dich um und blicke von hier aus auf deine Gegenwart.
    Was siehst du?
    Was zeigt sich für deine gegenwärtige Pilgerreise äußerer und innerer Befreiung?
    Von hier aus gesehen: Zeigen sich Züge einer heiligen Vision von Zukunft, geprägt von Hoffnung und Liebe?
  5. Gehe zurück in dein Heute.
    Was nimmst du mit?
    Was lässt du zurück?

G*tt stärke, was dich gedeihen lässt.
G*tt schütze, was dich lebendig macht.
G*tt schenke dir, was für dich heilsam ist.
G*tt schaue auf das, was du freigibst.

 

 

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