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Frohe störende Weihnachten! (Ein nicht nur ironisch-polemisches Vor-Krippenspiel.)

Predigt MCC Köln, 24. Dez. 2017
Ines-Paul Baumann

Lukas 1,46-55

Von wo soll 2017 Hoffnung herkommen? Von Sachzwängen und Alternativlosigkeiten? Von der selbst ernannten Alternative „Deutsche machen wir selber“? Mit so einem Motto würden wir heute nicht mal Weihnachten feiern: Ein unverheiratetes Paar aus Palästina, das ein Kind erwartet und ein Dach über dem Kopf sucht, wäre schlichtweg abgewiesen worden. Die selbst ernannten Vertreter_innen eines „christlichen Abendlandes“ hätten die Ursprungsfeier des Christentum damit verhindert statt verteidigt.

Wo hätte ein Paar aus Palästina, das ein Dach über dem Kopf sucht, in Deutschland 2017 NICHT gestört? Auf dem Weihnachtsmarkt oder am verkaufsoffenen Sonntag habe ich nicht beobachten können, dass Obdachlose als weihnachts-typische Empfänger_innen für Hilfe und Teilen begrüßt worden wären. Der Blick in die Schaufenster war eindeutig wichtiger als der Blick „nach unten“. Und der Blick „nach oben“? Von Herrschenden, Reichen, Mächtigen und Religionsvertretern erwarten manche „eh“ nichts mehr.

Auch die Geschichte der Bibel erzählt von der Frage, woher Hoffnung und Hilfe kommen sollen. Anfangs direkt von Gott; die Menschen richten ihre Augen hinauf zu den Bergen. Nach einigen Enttäuschungen sollten es Könige richten. Die versagten auch; die kritischen Stimmen der Propheten lassen kein gutes Haar an ihnen. Die Mächtigen und Einflussreichen stellten sich selten als die richtige Adresse heraus, um Hilfe und Hoffnung zu erwarten.

Und dann? Dann kam Weihnachten. Vielleicht lief das im Vorfeld so ab:

Gott Vater [1]: Jesus, komm doch mal her.

Jesus: Och Papa, ich bin kurz vor‘m zwölften Level. Die Runde noch zu Ende. Bitte!

Gott Vater: Es ist dringend.

Jesus: Mensch Gott, was ist denn??

Gott Vater: Da. Schau mal. Die Erde.

Jesus: Was IST mit der Erde?

Gott Vater: Sie leidet.

Jesus: Das ist doch nichts Neues, Papa. Ich mach den Level noch fertig.

Gott Vater (tut so, als hätte er das letzte gar nicht gehört): Ich kann mir das nicht länger mit ansehen. Du musst da runter.

Jesus: Oh Gott. Bitte nicht. Ich spiel auch nie wieder zu lange auf dem Tablet. Ich räume Wolke 7 auf. Ich tue alles, was du willst, versprochen. Ich werde ein lieber braver Sohn Gottes [2] sein. Im Großen und Ganzen verstehen wir uns doch ganz gut, und ich MAG dich auch, echt, auch wenn das nicht immer so aussieht [3]. Wir sind doch eins, du und ich, [4]

Gott Vater: Jesus, spar dir das Gelaber. Du musst auf die Erde.

Jesus: Und WO soll ich da WOHNEN???!?

Gott Vater: Genau das will ich ja mit dir besprechen.

Jesus: Guck mal, so sehen die Gotteshäuser da aus. [Bild vom Kölner Dom.] Soll ich DA hin?

Gott Vater: Ich weiß nicht. Dann denken die Menschen womöglich noch, ich brauche immer nur Pracht und Prunk.

Jesus: Dann hier? [Bild von der MCC Köln.] Soll ich DA auf die Erde gehen? Das ist NICHT so voller Pracht und so prunkvoll.

Gott Vater: Ich weiß nicht. Dann denken die Menschen womöglich noch, dass ich Pracht und Prunk grundsätzlich NICHT mag.

Jesus: Dann lieber so? Prunkvoll, aber auch mit viel Beton? [Bild der Kölner Zentralmoschee.] Soll ich lieber da drin erscheinen?

Gott Vater: DAS ist ja hübsch. Aber ich weiß nicht. Ich will die Menschen ja nicht provozieren. Die sind da ein bisschen empfindlich bei dem Thema Religion…

Jesus: Ok, dann was in dieser Richtung? [Bild von Buddhistischen Mönchen.] Soll ich mich SO zeigen? Bei dem Outfit denken die meisten Menschen an was Friedliches.

Gott Vater: Ich weiß nicht… – Wir müssen eine BOTSCHAFT senden. Deine Ankunft auf Erden soll etwas AUSSAGEN. „Jesus, höchster Name, teurer Erlöser -“ [5]

Jesus: Teurer Erlöser? Den haben die Menschen schon gefunden, so wie die aussehen! [Bild Eröffnung Apple-Store.]

Gott Vater: Genau, Jesus. An der Hingabe und Opferbereitschaft DIESER Jünger könnten sich manche UNSERER Anhänger mal ein Beispiel nehmen! (Beide lachen sich weg.) (Gott Vater reißt sich wieder zusammen.) Wo waren wir eben? Ach ja, die Botschaft. Die Aussage deiner Ankunft. „Jesus, höchster Name, siegreicher Herr, der allmächt‘ge Gott – “

Jesus: Also, wenn mich die Menschen mit dem Allmächtigen, Allwissenden und Allgegenwärtigen verbinden sollen, komme ich am besten als SUCHMASCHINE auf die Erde. [Bild weltweiter Datenströme]

Gott Vater: Argh. Und das Soziale Netzwerk weiß genau, was die Leute wollen und welche Wege es sie führt…?! Das war früher mal MEIN Job!!!

Jesus (tröstend-aufmunternd): Papa! Ich werde doch eh mit so MANCHEN Erwartungen brechen, was traditionelle Arbeitsplatz-Beschreibungen für deinen Job als Gott angeht.

Gott Vater: Um so wichtiger, was deine Ankunft auf Erden über mich aussagt. Also, als was sollen sie dich sehen?

Jesus: Heiler? [Bild von Arzt.]

Gott Vater: Hmmm.

Jesus: Richter? [Bild von Richterin.]

Gott Vater: Hmmm.

Jesus: Jemand, der Maßstäbe setzt und Regeln aufstellt? [Bild von EU-Flaggen.]

Gott Vater: Hmmm.

Jesus: Ein Vertreter des Gottes, der Menschen absichert? [Bild von Versicherungsvertreter bei Vertragsabschluss.]

Gott Vater: Hmmm.

Jesus: Einer, den die Menschen anhimmeln? [Bild von Helene Fischer.] – Opps, sorry. So: [Bild vom Papst.]

Gott Vater: Hmmm.

Jesus: Gott, jetzt reicht es mir langsam. Was – willst – du – von – mir?

Gott Vater: Die Menschen sollen in deiner Gegenwart Hoffnung fassen, der Liebe mehr vertrauen als Stärke und Gewalt, auf sich und andere achten lernen (auf mich natürlich auch), also: Sie sollen in deiner Gegenwart an die Heiligkeit des Lebens denken und –

Jesus: Gott, jetzt du klingst kitschig. Außerdem hast du das doch jeden Morgen und Abend. [Bild von Sonnenuntergang] Da gucken die Menschen gerne hinein und denken über sich und ihr Leben nach.
Also, wo soll ich hin? Wo soll ich wohnen? Wo soll ich ankommen auf Erden? Es gibt genug bedeutende Orte und einflussreiche Posten. Such dir einfach was aus. Ich ruf schon mal den besten PR-Manager, den Spitzen- Werbefachmann, den reichen großzügigen Banker und den Spezialisten für Soziale Medien her, die seit dem Flugzeugabsturz vorgestern in der Hölle sitzen. Gut, dass sie da sind.

Gott Vater: Jesus, hör auf mit dem Quatsch. Ich glaube, ich hab‘s. Du kommst als ganz normaler Mensch auf die Welt.

Jesus: SUPER IDEE, Papa. Bei der Familie vom Präsidenten der Vereinigten Staaten oder was??

Gott Vater: Nee. Bei einer Familie mit Vorbild-Charakter.

Jesus: Vorbild-Charakter für wen? Für deine Gläubigen? Weibliche-Mama-männlicher-Papa-und-zwei-ergebene-Kinder? Vorbild-Charakter für den gesellschaftlich anerkannten Leistungsträger? Gebildet, fleißig, abends joggen morgens Yoga, und wenn ich dann berühmt bin und Einfluss habe, lege ich los? Klingt nach einem langweiligen Leben, aber wie sage ich immer: Dein Wille geschehe!… [6]

Gott Vater: Nee, das meine ich doch gar nicht.

Jesus (freudig-hippelig): Also doch rumreisen, als Fresser und Säufer abhängen, Prostituierte treffen, Grillen mit meinen Jungs am Strand, im Tempel Radau machen, sowas? [7]

Gott Vater: Ich muss wohl nochmal überlegen, ob du der Richtige dafür bist!!! Aber so weit sind wir noch gar nicht. Jetzt geht es erst mal darum, wie du auf der Erde ankommst.

Jesus: Und zwar wie?

Gott Vater: Durch eine unverheiratete junge Frau, die keine großen Stücke auf sich hält.

Jesus: Gott, du hast wohl gar keine Ahnung von den Menschen. (Ironisch:) Eine unverheiratete Frau, die ein Kind erwartet. SO fangen auf der Erde Erfolgsgeschichten an!!!

Gott Vater: Mit ihrem Kind im Bauch (also MEINEM Kind in ihrem Bauch) –

Jesus: Sag mal, hast du sie überhaupt mal gefragt, ob sie damit einverstanden ist?

Gott Vater: – also mit DIR im Bauch können wir doch prima die ersten Zeichen setzen für ein besseres Miteinander unter den Menschen: Sagen wir, zuerst holt sie sich Hilfe und Unterstützung bei einer anderen Frau. [8] Und dann muss sie weg an einen Ort, wo sie niemand kennt und wo sie auf die Hilfe der Einheimischen angewiesen ist. [9]

Jesus: Danke, Papa. Normalerweise werden Leute, die Hilfe suchen, aber von woanders sind, heutzutage dahin zurückgeschickt, wo sie herkommen. DIE STÖREN!

Gott Vater: Richtig, Jesus. Wir werden stören. Der Clou ist, WEN wir stören. Denen, die uns brauchen, wird unser Stören ein Zeichen der Hoffnung sein. Von wem soll die Frohe Botschaft, die sie ersehen, denn noch kommen? Von den Einflussreichen und Mächtigen, die mehr von Gerechtigkeit reden als sich für sie einzusetzen? Von den Sachzwängen und Alternativlosigkeiten, die ein freier Markt braucht, damit er „in Frieden“ den Wohlstand von denen vermehren kann, die am meisten haben? Wo Menschen Arbeit und Daten und Konsum liefern sollen? Und sich ansonsten um sich selbst kümmern, denn an ihrem Leid sind sie ja „selbst schuld“? Oh nein, die Menschen sollen erfahren, dass sie wichtig sind. Dass es wichtig ist, was sie tun. Dass wir sie sehen. Deine Geburt wird so ein Zeichen setzen. Oh ja, wir werden stören, Jesus, und ich freu mich drauf. Die Situation bei deiner Geburt wird nur der Anfang davon sein.

Lesung aus dem Evangelium nach Lukas

Wir hören nun NICHT den Lobgesang eines Königs, eines Herrschers, einer Präsidentin.
Wir hören NICHT den Lobgesang von Reichen und Einflussreichen.
Wir hören NICHT den Lobgesang religiöser Oberhäupter.
Wir hören NICHT den Lobgesang von Spezialisten, die wissen, wie man eine Botschaft unter‘s Volk bringt.
Wir hören den Lobgesang einer unbedeutenden Frau.
Mit IHR beginnt die Ankunft Gottes auf Erden. Sie hat zugelassen, dass Gott durch sie Gutes tun kann. Sie hat Ja gesagt zu dem, was Gott in ihr angelegt hat, und was sich daraus entwickeln wird.
Wir hören den Lobgesang einer Unbedeutenden,
wir hören den Lobgesang einer, der das Leben bisher nicht viel geschenkt hatte,
den Lobgesang einer, die kein großes Selbstbewusstsein hatte,
die sich aber vor Gott nicht klein machte,
sondern sich von Gott groß und unvergesslich machen ließ.
Wir hören den Lobgesang der Maria aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 1, die Verse 46 bis 55:

»Von ganzem Herzen preise ich den Herrn,
und mein Geist jubelt vor Freude über Gott, meinen Retter.
Denn er hat mich, seine Dienerin, gnädig angesehen, eine geringe und unbedeutende Frau. Ja, man wird mich glücklich preisen – jetzt und in allen kommenden Generationen.
Er, der Mächtige, hat Großes an mir getan. Sein Name ist heilig,
und von Generation zu Generation gilt sein Erbarmen denen, die sich ihm unterstellen.
Mit starkem Arm hat er seine Macht bewiesen; er hat die in alle Winde zerstreut, deren Gesinnung stolz und hochmütig ist.
Er hat die Mächtigen vom Thron gestürzt und die Geringen emporgehoben.
Den Hungrigen hat er ´die Hände` mit Gutem gefüllt, und die Reichen hat er mit leeren Händen fortgeschickt.
Er hat sich seines Dieners, ´des Volkes` Israel, angenommen, weil er sich an das erinnerte, was er unseren Vorfahren zugesagt hatte:
dass er nie aufhören werde, Abraham und seinen Nachkommen Erbarmen zu erweisen.«

Lukas-Evangelium 1,46-55

 

Anmerkungen

[1] „Gott Vater“ ist freilich nur eine von vielen Möglichkeiten für den Blick auf Gott. Genau so gut passen andere Bilder und Namen. Schon die Bibel kennt: Mutter, Quelle, Barmherziger, Gerechter, … Die Evangelien nennen „Vater“ als geläufige Anrede von Jesus für Gott; der zeitgeschichtliche Kontext war damals ein anderer als heute.

[2] Manche glauben an Jesus als den (einzigen) EINEN Sohn Gottes; im geschichtlichen Kontext ist Jesus EIN Sohn Gottes; manchen ist wichtig, dass ALLE Menschen Kinder Gottes sind.

[3] Jesus wurde desöfteren Gotteslästerung vorgeworfen (Mk 14,64; Joh 10,33; …).

[4] „Ich und der Vater sind eins.“ (Joh 10,30-38)

[5] Aus dem Liedtext: „Jesus, höchster Name / Teurer Erlöser, siegreicher Herr / Immanuel, Gott ist mit uns / Herrlicher Heiland, lebendiges Wort. / Er ist der Friedefürst und der allmächtge Gott / Ratgeber wunderbar, ewiger Vater / Und die Herrschaft ruht auf seinen Schultern / Und seines Friedensreichs wird kein Ende sein.“

[6] Siehe das „Vaterunser“ in Mt 6,9–13 und Lk 11,2–4.

[7] Fresser und Säufer: Mt 11,19 / Prostituierte: Lk 7,36-50 / „Grillen“ am Strand: Lk 21,9ff / Tempelreinigung: Mt 21,12ff u. Mk 11,15ff u. Lukas 19,45ff u. Johannes 2,13–16

[8] Maria und Elisabeth: Lk 1,39ff

[9] Maria und Josef suchen eine Herberge: Lk 2,1-7

 

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