Impuls MCC Köln, Ines-Paul Baumann
2. Juni 2024
Gestern waren wir beim allerersten CSD in Leverkusen! Wir hatten viele nette Gespräche und haben die Zeit sehr genossen. Auch die katholische Jugend hatte einen Infostand, und auch diese Begegnung war sehr freundlich und schön.
Für den CSD in Köln liegt mittlerweile das Programmheft vor. (Vorne an der Theke könnt ihr es gerne mitnehmen.) Es gibt so viele christliche Gottesdienste, Andachten und Segnungen wie noch nie zu einem CSD in Köln! Nur unser eigener CSD-Gottesdienst hat es leider nicht ins Programmheft geschafft. Das ist etwas schade; immerhin sind wir seit Jahrzehnten dabei – lange, bevor andere nun dazugekommen sind. (Und immerhin kam 1970 die Idee zum Gay Pride von Rev. Troy Perry, dem Gründer der MCC in 1968. Grmpf.)
Die MCC kennt seit ihrem Bestehen beide Richtungen:
„Wir wollen da rein“ (z.B. hat MCC viel mit erkämpft bezüglich der Ehe für homosexuelle Paare in den USA und Kanada)
UND
„wir gehen da jetzt raus“ (z.B. die eigene Kirchengründung anstatt in den vorhandenen Kirchen mit Bitten und Geduld auf Änderungen, Akzeptanz und Teilhabe zu warten – samt der bis heute andauernden Suche nach weniger machtvollen Strukturen).
Auch in der Bibel findet sich beides:
„Wir wollen da rein“ (z.B. „Wir wollen auch einen König, so wie die anderen um uns herum!“),
aber noch viel klarer:
„Wir gehen da jetzt raus“.
Und sowohl in der Bibel als auch in der MCC wird immer wieder deutlich, was für ein Ringen mit solchen Entscheidungen verbunden ist – und wie sehr die Meinungen dazu auseinander gehen können.
Hier ein paar Beobachtungen zum Zeugnis der Bibel dazu:
- Schon der Auftakt in der Bibel ist eindeutig: Die patriarchalen Strukturen im Alten Orient sind NICHT Ausdruck göttlichen Willens. Sie sind eben nicht die natürliche, gottgewollte, schöpfungsgemäße Ordnung, sondern werden dargestellt als Konsequenz eines Sündenfalls (= GEGEN Gott). Die geschlechtsbinäre Rollenaufteilung ist also nicht Ausdruck göttlichen Willens, sondern Ausdruck dafür, dass der göttliche Wille verlassen wurde.
Die Botschaft ist klar: Es kann nicht allein darum gehen, da jetzt mitmachen zu dürfen. - Schon hier im Text findet sich ein Vorschlag zur Besserung: Nicht nur Frauen sollen ihre Eltern verlassen und sich der Familie des Mannes anschließen (das war damals üblich). Sondern für ALLE Menschen soll gelten: Die Bezüge, die ihr untereinander aufbaut, sind vielleicht auch mal wichtiger als die Frage, was in euren Herkunftsfamilien Platz hat.
Die Botschaft ist klar: Löst euch von dem Alten! Solange ihr nicht frei werdet von der patriarchalen Familienordnung, wird es schwer, gesunde Beziehungen untereinander aufzubauen. - Was für Einzelne gilt, gilt im Exodus auch für gesamtgesellschaftliche Vereinbarungen: „Nur weil ihr in Ägypten Arbeit und Nahrung habt, heißt das nicht, dass ihr keine Alternativen habt. Ihr müsst nicht hinnehmen, dass ihr akzeptiert seid, solange ihr auf alle Freiheiten verzichtet.“ (Es ist bezeichnend, dass die Menschen erst krank werden mussten, bevor sie sich auf den Weg machen konnten. So ganz freiwillig verließen sie die gewohnten Strukturen und Hierarchien nicht.)
Die Botschaft war aber klar: Geht raus aus dem, was euch kleinhält und einschränkt, auch wenn es euch noch so viel Einkommen und Sicherheit gibt!
Alle drei Punkte finden wir bei Jesus wieder:
- Die Umgebung, in der Jesus lebt, ist hierarchisch und patriarchal strukturiert, in allen Bereichen: politischen, religiös, wirtschaftlich und kulturell. Die Verstrickungen von Römischem Reich, religiösen Machthabern (ohne Gendern) und persönlichen Absicherungen wird Jesus ans Kreuz bringen. Eine so strukturierte Welt ist immer noch nicht Ausdruck göttlich-natürlichen Willens.
Die Botschaft ist klar: Es kann nicht allein darum gehen, da jetzt mitmachen zu dürfen. - Schon als 12-jähriger verlässt Jesus das erste Mal Vater und Mutter, weil sein eigener Weg ihn woandershin führt. Den Familienbegriff der Blutsverwandschaft stellt er als Erwachsener komplett in Frage. (Was nicht heißt, dass er sich der Care-Verantwortung entzieht; noch am Kreuz kümmert er sich darum, dass seine Mutter gut versorgt sein soll.)
Die Botschaft ist klar: Dem eigenen Ruf zu folgen geht hier einher mit einem Loslösungspozess von der Herkunftsfamilie. - Und als Jesus überlegt, sich den gesellschaftlichen Bedingungen und Möglichkeiten anzuschließen, wird das dargestellt als Versuchung Satans.
Die Botschaft dieser Episode: Bloß nicht rein in diese Strukturen, auch wenn sie dich an Macht, Ressourcen und Anerkennung teilhaben lassen werden! Raus!
Das heißt nicht, dass die Bibel und Jesus immer alles über Bord werfen, immer gegen alles sind oder sich aus allem zurückziehen.
Aber es gibt immer wieder eine Abwägung:
- Sind Teilhabe, Partizipation und Akzeptanz wirklich gerade das richtige Ziel?
Wovon wollen wir wirklich Teil sein? - Und wo ist es vielleicht gerade dran, sich von einer Struktur, Organisation, Strategie oder Bezugsperson(en) zu lösen?
(Am besten, bevor du darüber krank wirst.)
Insbesondere, wenn binäre Geschlechterrollen oder Versprechen von Sicherheit eine Rolle dabei spielen, wer was darf und wem was erlaubt ist, könnte Vorsicht geboten sein. „Klar darfst du jetzt auch als nicht-binärer Mensch in unseren Machtverhältnissen mitspielen!“ ist nicht immer direkt gleichbedeutend mit einer Auflösung solcher Machtverhältnisse.
Manche Strukturen ändern sich, wenn andere Menschen dazukommen.
Manchmal ändern sich die Menschen, wenn sie in Strukturen hineinkommen.
Entscheidungen können je nach Situation, Kontext, Erfahrungen und Anliegen unterschiedlich ausfallen.
G*ttin segne deinen nächsten Schritt!