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Wie stellst du dir ein gutes Gemeindeleben vor?

Predigt MCC Köln, 20. Januar 2019
Daniel Großer

Römer 12,9-16 („Das Leben der Gemeinde“)

Willkommen, schön dass ihr eingeschaltet habt, denn es ist Sonntag um 12 und deshalb heißt es jetzt wieder: Deutschland sucht den Super-Apostel!

Es geht um alles oder nichts! Unsere sympathischen Kandidatinnen und Kandidaten haben es bis in diese Runde geschafft, und was haben sie nicht alles gemeistert! Lieder singen wie die Wesen mit den Engels-Schwingen! Beten wie die Propheten! Kerzen angezündet bis der Heilige Geist sich verkündet!

Wer wird heute unter Beweis stellen, dass er das Zeug hat, ein echter Apostel zu sein? Schnallen Sie sich an und halten Sie sich fest, denn die nächste Apostel-Challenge beginnt jetzt!

Wer weiß am besten, wie eine Gemeinde funktionieren soll? Klar, die Apostel, schließlich machen sie den ganzen Tag nichts anderes, als Gemeinden zu gründen. Du willst ein richtiger Apostel sein? Dann ist heute deine Chance, es unter Beweis zu stellen! Kannst du deiner Gemeinde zeigen, wo der Hammer hängt? Weißt du, wie der Hase läuft? Bist du eine echte Regelmacherin?

Wir werden es gleich erfahren, aber zuerst haben wir noch einen Gastauftritt vom Mr. Apostel der ersten Stunde, begrüßt mit mir den fabelhaften, den steiniger-als-urgesteinigen, den holy-moly Paulus! Applaus Applaus Applaus!!!

[Auftritt Paulus – der Showmaster quasselt ihn voll, Paulus kommt nicht zu Wort und nickt nur oder zuckt mit den Schultern]

Paulus, altes Zirkuspferd, wie geht es dir?!

Paulus, wir verdanken dir 2000 Jahre Kirchengeschichte, was für eine Karriere. Hättest du dir echt vorstellen können, dass deine Karriere so lange andauert?

Aber ist ja auch kein Wunder, du bist schließlich der krasseste Apostel, und deswegen haben wir dich heute ja eingeladen, nicht wahr? Schön, dass du gekommen bist!

Schau dir unsere Nachwuchs-Apostel an, einer von ihnen ist auf dem besten Wege, der nächste SUPER-Apostel zu werden! Was denkst du, vielleicht wird eine von ihnen mal so erfolgreich sein, wie du?

Aber vor der Kür kommt die Pflicht, lieber Paulus, deswegen ist es jetzt erstmal Zeit für den Test, Lernen vom Best of the Best! Bühne frei für Paulus, wir hören deine größten Hits!

[Lesung von Paulus. Nach jeder Aussage eine Pause oder ein sich versichernder Blick zum Showmaster]

Applaus Applaus Applaus! Vielen Dank, lieber Paulus, was für eine Nummer, was für Regeln, was für ein Auftritt! [Showmaster schiebt Paulus von der Bühne]

So, liebe Möchtegern-Apostel, jetzt ist es Zeit, dass Ihr der ganzen Nation zeigt, was in euch steckt! Wer Apostel sein will, muss wissen, was in einer Gemeinde am wichtigsten ist! Wie hat sich eine Gemeinde untereinander zu verhalten, woran erkennt man eine richtig gute Kirche, über welches Verhalten freut sich ein Apostel am allermeisten?

Geht eine paar Minuten in euch und bereitet eure wichtigste Regel vor! Welchen Rat gebt ihr als Apostel der Gemeinde?

Wir finden uns wieder hier ein nach einer kurzen Werbepause!

[Geistliche Musik abspielen, Stifte und Papier herumgeben, Aufgabe an die Wand beamen und ein paar Regeln des Paulus abwechselnd]

Jetzt ist es Zeit für euch, liebe Nachwuchs-Apostel! Steht auf und lasst sie uns hören, eure Regeln!

[Jede(r), der möchte, kann seine Apostelregel vorlesen. Manche haben ihre Regel auch zur Veröffentlichung freigegeben (hier aufgelistet nach der Regel A-Z):]

Bescheidenheit und Liebe und Demut.

Bietet immer genug Kekse zum Kaffee an.

Einander angucken – wahrnehmen – irgendwie akzeptieren.

Den anderen respektieren.

Denkt und handelt im Glauben an das Gute durch die Kraft Gottes; das ständige Gebet sei eure Quelle dafür.

Die Liebe unter den Gläubigen ist das Wichtigste.

Freiheit – Offenheit jedem anderen gegenüber, der evtl. anders lebt und denkt.
Nicht missionieren, sondern Glauben vorleben.
Hoffnung, Evangelium verkünden.

Bibel immer wieder gemeinsam lesen und diskutieren, was heißt das für uns heute.

Gott mit Würde, Respekt füreinander & mit Freude miteinander feiern.

Höre auf die Bedürfnisse anderer Menschen.
Du musst sie NICHT selbst erfüllen.

Respect first!

Seid ehrlich und freundlich zueinander.

Seid fröhlich und vergnügt im Angesicht Gottes.

Seid gütlich miteinander.

Streitkultur = Offenheit UND Respekt.

Toleranz Vergebung Liebe Freude durch Zuversicht.

Ihr seid tolle Apostel, alle miteinander! Applaus Applaus Applaus!!!

– An dieser Stelle soll unsere kleine Show enden.

Ich weiß nicht, wie es euch dabei gegangen sein mag – Regeln aufstellen für ein gutes Gemeindeleben. Vielleicht ist es etwas befremdlich? Vielleicht ist dir gar nichts eingefallen? Vielleicht ist dir aber auch so viel aufgefallen, dass du ein ganzes Buch voll schreiben können hättest. Es kann sein, dass wir uns über manche Regel auch gar nicht einig werden würden, oder dass wir uns sogar darüber streiten könnten, ob sie alle gut und richtig sind.

Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass jeder und jede von uns eine eigene Vorstellung davon hat, was “christlich” ist, und wie es in einer Gemeinde zugehen sollte – und wie nicht. Man könnte es ein Wunschbild nennen. Es ist nur eines unter all den vielen guten Gründen, wegen derer du heute hier in diese Gemeinde gekommen bist. Und wir feiern es, dieses Wunschbild, denn: es kann uns helfen, einem Teil von Gott zu begegnen.

“Wunschbild?” Ganz recht: Ich denke nicht, dass uns diese Worte des Paulus überliefert sind, damit wir uns zu Richtern darüber erheben, ob eine Gemeinde gut ist oder schlecht. Sie sind ein Wunschbild. Es wäre gewiss nicht im Sinne Paulus, wenn wir uns die Liste der Regeln schnappen würden und dann mal so richtig kalt abrechnen mit der MCC oder einer anderen Gemeinde eurer persönlichen Missachtung. Alle Gemeinden dieser Welt scheitern an einigen oder allen diesen Regeln, genauso, wie alle Menschen an den Regeln des Alten Testaments scheitern.

Die erste Geschichte der Bibel erzählt davon, dass der Mensch sein will, wie Gott, also Gutes von Bösem scheiden kann.

Den gesamten Rest der Bibel versucht Gott dann wiederum, dass wir Menschen erkennen, dass wir Menschen sind – und dass Gott Gott ist.

So wissen wir bis auf den heutigen Tag sehr wohl, was gut ist. Regeln aufstellen ist einfach! Jeder kann der nächste Super-Apostel sein, wenn es nur darum geht.

Es braucht wirklich keinen Paulus oder irgendeinen anderen Apostel, um die Regeln aus dem Römerbrief gut zu finden. Sie sind wirklich ziemlich universell. Kant kam da auch schon drauf, als er seinen kategorischen Imperativ aufstellte: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“

Regeln aufstellen ist einfach – Regeln halten ist unendlich schwer.

Für mich erfüllen die Regeln der Bibel deswegen eine Doppelrolle:

  1. Ich kann sie gut finden.
    In einer Welt des “Ich Ich Ich” tut es mir unendlich gut, diese Gebote zu lesen, die den Blick auf’s “Du” legen. In einer Welt, wo der (möglichst reiche) Kunde König ist, jubele ich innerlich darüber, wenn Gott ein bettelarmes Kind in Windeln zum König erklärt. In einer Welt, in der das richtige Handy, das richtige Auto, das richtige Haus, die richtigen Urlaubsziele und der richtige Körper zum Maß aller Dinge erklärt werden, bin ich geradezu dankbar darüber, dass die Bibel sagt: Staub bist du, und zum Staub kehrst du zurück.
    Ich kann sie gut finden, diese Regeln des Paulus, diese Regeln Gottes.
    Und einen Gott, der gute Regeln gibt, den kann auch ich gut finden.
    Meine Sehnsucht nach Gerechtigkeit und einem Himmel, in dem Frieden herrscht, begegnet in all diesen Regeln der gleichen Sehnsucht Gottes nach dem gleichen Himmel.
  2. Ich kann sie nicht halten.
    Regeln erfinden ist leicht – Regeln halten ist unglaublich schwer. Ich wüsste nicht, dass ich schonmal jemand getötet hätte, aber ich hoffe inständig, dass Gott nicht mitgezählt hat beim zehnten Gebot: “Du sollst nicht nach dem Haus deines Nächsten verlangen. Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen, nach seinem Sklaven oder seiner Sklavin, seinem Rind oder seinem Esel oder nach irgendetwas, das deinem Nächsten gehört.”
    Von den Regeln des Paulus ganz zu schweigen – finde ich alle gut, scheitere aber ohne Unterlass daran.
    Wir mögen mit Gott gemeinsam haben, dass wir Böses von Gutem scheiden können, wie es das Alte Testament sagt. Aber das Gute denn auch zu tun, das hat uns Gott so oft voraus.
    Wir sind deswegen gut beraten, demütig und barmherzig zu sein.
    Demütig, weil wir Menschen sind, und weil Gott Gott ist.
    Barmherzig, weil wir nicht das moralische Gewicht Gottes haben, Richter zu sein. Barmherzig sein, weil wir ebenso an unseren eigenen Werten scheitern, wie so viele vor uns, mit uns und nach uns. Gott braucht keine Regeln, damit wir uns an ihnen abarbeiten. Sie braucht Menschen, die einander die Hand reichen, trotz allem.

Wenn du das nächste Mal eine Regel in der Bibel antriffst, kann dir das vielleicht helfen. Kannst du diese Regel gut finden, erkennst du darin einen guten Gott wieder? Und: Kannst du diese Regel halten – und kannst du barmherzig sein mit dir oder anderen, wenn ihr an dieser Regel scheitert?

AMEN.

 

 

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