Zum Inhalt springen
Home | Und was ist mit SCHWACHEN und SCHWÄCHEN? #CSD2020

Und was ist mit SCHWACHEN und SCHWÄCHEN? #CSD2020

Predigt MCC Köln, 11. Oktober 2020
Ines-Paul Baumann

1.Samuel 17,3-7.11.33.38-40

Das CSD-Motto „FÜR MENSCHENRECHTE. VIELE. GEMEINSAM. STARK!“ aus der Perspektive der MCC Köln als „Kirche für/mit Vielfalt“. Eine halbe Stunde Gemeinschaft mit Gott, einander und uns selbst mit Raum für Starkes UND Schwaches.

Was mich in der Bibel und insbesondere an Jesus immer wieder beeindruckt: Es geht nicht nur darum, WOHIN wir wollen und WAS wir wollen. Sondern immer auch darum: Wie kommen wir dahin? Wie erreichen wir das? Welche Mittel setzen wir ein im Umgang mit anderen und uns selbst? Und was macht das mit uns?

Die Geschichte von David und Goliath ist dafür ein Beispiel von vielen. Goliath ist beeindruckend groß, bringt viel Erfahrung mit, ist technisch perfekt „gerüstet“ und unendlich selbstbewusst.

„Saul und ganz Israel (…) verloren (…) allen Mut und °hatten große Angst.“, heißt es in 1. Sam 17, 11.

Sie machen die Stärken des stark Auftretenden zum Maßstab. Goliath hat eine Rüstung an, also soll David auch eine Rüstung anziehen. Um es nun mit diesem Gegner aufzunehmen, um sich mit ihm zu messen, richten sie sich nach dem, was ihn stark macht. Sie übernehmen seine Mittel.

David hat aber noch nie mit diesen Mitteln gearbeitet und merkt sofort, dass sie nicht zu ihm passen. Und anstatt sich nun irgendwie daran zu gewöhnen und darin zu üben, legt er die Rüstung wieder ab. Er versucht gar nicht erst, mit diesen Mitteln besser klarzukommen. Was den anderen so stark macht, schränkt ihn nur ein, bringt ihn ab von sich selbst.

Allein dadurch, dass er sich seinem Gegner anpassen würde, hätte David das Wichtigste verloren, bevor der Kampf überhaupt richtig losgegangen wäre: sich selbst. Die Kraft Gottes hat nicht zum Ziel, uns von allem zu verschonen oder uns auszurüsten mit den Mitteln, mit denen andere kämpfen. Kämpfe nicht gegen dich selbst.

Auch Jesus passte sich nicht den Mitteln und „Stärken“ seiner Gegner an. Er ist gegen jede Form von Gewalt, und er nutzt sie auch nicht als Mittel zum Zweck. Während der Herrscher des Römischen Imperiums mit einer Militärparade in Jerusalem einzieht, reitet Jesus auf einem Esel in Jerusalem ein. Als seine Jünger beeindruckt sind von der Pracht des Tempels, prophezeit er ihnen, dass davon keine Stein auf dem anderen bleiben würde – auf Status und finanzielle Mittel baut Jesus nicht. Als er mit politischen Tricks des Todes angeklagt werden soll, schweigt er dazu lieber, anstatt ihre Spielchen mitzuspielen und ihnen mit einem wortgewaltigen Anwalt entgegenzutreten.

Und in keiner seiner Seligpreisungen wird etwas dadurch erreicht, dass Böses durch Böses überwunden wird. Den Armen ist nicht versprochen, dass sie irgendwann selber an der Welt der Reichen und Mächtigen teilhaben. Die Sanftmütigen müssen nicht erst den Panzer von Härte und Durchsetzungswillen anlegen. Die, die reinen Herzens sind, müssen nicht lernen, sich und andere mit allen Mitteln voranzutreiben.

Aus der Sicht der Bibel müssen wir uns offenbar nicht zwingend dem anpassen, was uns Angst und Furcht einjagt, um es zu besiegen.

In der Geschichte von Kirche und Gesellschaft hat das leider zu oft bedeutet, Schwachen ihre Rechte abzusprechen. „Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig“ hieß dann zu oft: Bleibt ihr mal schön schwach und klein und arm und ohnmächtig.

Die Alternative dazu, dass wir uns nicht mir ungerechten Mitteln gemein machen sollen, ist aber nicht, dass wir gar keine Mittel haben. Und schon gar nicht, dass alles so bleiben soll, wie es ist.

Mit meinem Gott kann ich Mauern überspringen.
Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft.
„In der Welt habt ihr Angst, aber ich habe die Welt überwunden.“, sagt Jesus.

Nichts davon läuft darauf hinaus, dass alles so bleiben soll, wie es ist. Im Gegenteil: Es kann ja nur solange so bleiben, wie es ist, solange mir vor Angst ganz bange ist. Auch wenn ich bei dem mitmache, was mir Angst macht, und darin selbst meine Stärke suche, ändert sich nicht wirklich etwas an den Angstmechanismen – außer dass ich nun zu denen gehöre, die anderen Angst einjagen. Aber da, wo mich die Angst nicht mehr im Griff hat (weder als Geängstigter noch als Beängstigender), da überwinde ich meine Starrheit und alles kommt in Bewegung. Als Israel aufhört, seine Unterdrücker zum Maßstab des eigenen Lebens zu machen, werden sie nicht etwas selber zu Unterdrückern – sondern sie kommen in Bewegung und machen sich auf, raus aus den Verhältnissen, selbst wenn das neue Ziel noch gar nicht klar ist. Hauptsache raus aus dem Falschen. Raus aus dem, wo andere vorgeben, wie sie zu leben haben.

„Für Menschenrechte“ darf nicht heißen: „Gleiche (Un-)Rechte“ für diejenigen, die normal und stabil genug sind und sich stark genug fühlen, dem nächsten Tag entgegenzutreten.
„Für Menschenrechte“ darf nicht heißen: „Gleiche (Un-)Rechte“ für diejenigen, deren Lobby und Verbände stark genug sind.
„Für Menschenrechte“ darf nicht heißen: „Gleiche (Un-)Rechte“ für diejenigen, die in ihren Kirchen stark genug sind, sich gegen Vorurteile und Diskriminierung zur Wehr zu setzen.

„Für Menschenrechte“ muss heißen: Gesellschaftlich schwache oder starke Positionen führen nicht länger zu einem „Recht der Stärkeren“, bei dem die schwächer Positionierten halt nur mal richtig mitmachen sollen. Und unsere privaten Stärken und Schwächen führen nicht mehr zu einer ungerechten Verteilung von Mitteln, Rechten, Teilhabe und Versorgung.

„Für Menschenrechte“ heißt: Unsere Stärken und Schwächen spalten uns nicht mehr. Nicht erst im Himmel, sondern genau so auf Erden.

Skip to content