Zum Inhalt springen
Home | Obelix schaute Asterix mit zusammengefalteter Stirn an: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig? Was soll das denn heißen? Wenn ich schwach bin, ist in mir der Hunger mächtig!“ – Eine Geschichte über die Unterschiede zwischen Stärke und Gewalt.

Obelix schaute Asterix mit zusammengefalteter Stirn an: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig? Was soll das denn heißen? Wenn ich schwach bin, ist in mir der Hunger mächtig!“ – Eine Geschichte über die Unterschiede zwischen Stärke und Gewalt.

(Vorbemerkung zur Jahreslosung 2012 (2. Kor. 12,9):
Dass die Kraft Jesu in den Schwachen mächtig ist, wird oft verstanden als Auffüllen von Kraft, wo Schwachen Kraft fehlt – um mit der Kraft der Starken mithalten zu können. Zum Beispiel:

  • Frauen sollen so „durchsetzungsfähig“ und selbstbewusst“ auftreten wie Männer, dann werden sie auch „gleichberechtigt“ behandelt
  • in Diskussionen laut werden müssen, um Gehör zu finden
  • als Transgender selbstbewusst die Straße entlanggehen, um nicht als schwach zu gelten (als sei das eine Rechtfertigung dafür, angegriffen werden zu dürfen!)

Die Mittel, die Stärke „vermitteln“, werden dabei nicht in Frage gestellt.

In der Bibel ist das aber nicht der einzige Mechanismus, wie Gott Schwache stärkt. Es gibt viele Beispiele, in denen Gott den Schwachen Kraft verleiht – aber nicht, um sie so zu machen, wie die Stärkeren es vorleben. Auf was für Mittel und was für Menschen baut Gott?

Jes 59,14-21
Richter 7,1-6
Eph 6,10-18

15. Jan. 2012
Predigt MCC Köln
Ines-Paul Baumann

Jesus Christus spricht: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.
(L) 2. Korinther 12,9

Asterix und Obelix wühlten in den Sträuchern und Büschen zwischen den Bäumen. Miraculix hatte sie losgeschickt: Er brauchte mal wieder Zutaten zum Zubereiten des Zaubertranks. Zwei Körbe hatten Asterix und Obelix schon fast zusammen. Da fiel Asterix zwischen zwei Sträuchern etwas Weißes am Boden auf. Neugierig hob er es auf, faltete das etwas durchnässte Knäuel auseinander und strich es glatt. Es sah aus wie ein Brief. Oben rechts war ein Bild von einem Gebäude aus Steinen und mit einem Turm. Asterix las laut vor: „Jesus Christus spricht: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“, stand da.

Obelix schaute mit zusammengefalteter Stirn zu Asterix herüber: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig? Was soll das denn heißen? Wenn ich schwach bin, ist in mir der Hunger mächtig! Dann verlangt es mich mächtig nach zwei Wildschweinen! Ist das etwa wieder einer dieser Werbezettel von so einem Pizza-Service? Die mit diesen Boxen zum Ausliefern? Keiner von denen konnte mir bisher zwei Wildschweine ausliefern! Alle Boxen viel zu klein! Vergiss es, Asterix. Lass uns weitersammeln, Miraculix wartet und ich werde auch langsam wieder hungrig und schwach, wenn wir hier noch lange rumhängen.“

Asterix starrte unverändert auf den Brief in seinen Händen. „Mensch Obelix, kapierst du das nicht? Überlege doch mal, was da steht: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Das klingt doch so, als hätten die auch so eine Art Zaubertrank zur Verfügung! Mal dir das mal aus! Vielleicht sind wir gar nicht die Einzigen, die einen Zaubertrank haben! Das müssen wir doch prüfen! Lass uns da mal hingehen. Schau mal, hast du so ein Gebäude schon mal irgendwo gesehen?“

Obelix warf einen Blick auf das Bild. „Nee, nie gesehen. Sowas gibt’s hier nich. Was is’n das für eine seltsame Mischung? ’n Haus ist das nicht – zu groß. Was soll der Turm? Für eine Stadtmauer mit Turm ist das Ding zu klein. Ist das etwa so ein neuer Trick von den Römern? Eine getarnte Festung? Vielleicht verstecken die sich dadrin! Genau, und mit ihrem neuen Zaubertrank tragen die das durch die Gegend! Asterix, wir müssen los und schauen, ob die damit schon in der Gegend sind!“

Asterix und Obelix schnappten sich ihre Körbe und liefen los. Auf dem Weg zum Aussichtshügel schien alles normal. Der Wald stand da wie immer, die Vögel sangen wie immer, keine Spur von in Steinmauern versteckten Römern.

Plötzlich kam ihnen auf dem Weg eine Person mit scharzem Umhang entgegen. Beim Näherkommen sahen sie, dass er um den Hals eine Kette trug; der Anhänger bestand aus zwei übereinander gelegten Balken aus kleinen Holzspänchen. Asterix und Obelix hielten ihm den Zettel hin und fragten, ob er auf dem Weg hierher irgendwo an so einem seltsamen Gebäude vorbeigekommen sei. Der Mann begann erfeut zu lächeln. „Oh ja, das ist die Kathedrale, die mich hierher geschickt hat. Hier soll es Gallier geben, die noch nie von Jesus Christus gehört haben. Ich will ihnen die Frohe Botschaft bringen!“ Der Mann strahlte sie ganz verklärt an.

Obelix knurrte nur und brummte: „Kannste dir sparen. Zaubertrank haben die schon.“ Der Mann guckte Obelix von oben bis unten und von rechts bis links an. „Zaubertrank? Wieso Zaubertrank? Was soll das denn sein?“ Obelix baute sich stolz vor ihm auf. „Ach, das kennst du nicht? Wenn ein Gallier schwach ist, macht ihn der Zaubertrank stark! So wie es auf euren Zetteln steht: Seine Kraft ist in den Schwachen mächtig! – Komm, Asterix, von denen haben wir nichts zu befürchten! Ich hab doch gleich gesagt, die reden nur von Hunger.“

Der Holzbalkenmann hakte nach: „Hunger? Oh ja, ihr habt Recht! Das Verlangen nach Gott und nach Gerechtigkeit und nach Freiheit kann so stark sein wie Hunger, das habt ihr gut erkannt! Wie heißt ihr? Ich bin Paulix. Wie schön, euch zu treffen! Was habt ihr da in euren Körben?“

Asterix druckste etwas herum. Er war sich unsicher, ob sie dem Holzbalkenmann vertrauen konnten. Seine Bemerkung in Sachen Hunger nach Gerechtigkeit und Freiheit gefiel ihm. Vielleicht würden sich neue Verbündete gegen die Römer finden lassen? Das Geheimnis des Zaubertranks wollte er trotzdem nicht preisgeben. „Och, ein bisschen Proviant für unterwegs. Falls uns der echte Hunger überfällt! Aber sag doch, wenn ihr euch schwach fühlt und stark sein müsst, gegen wen kämpft ihr da? Wer sind eure Feinde?“

Der Holzbalkenmann griff nach dem Anhänger um seinen Hals. „Wir kämpfen gegen alles, was sich Gott und der Gerechtigkeit und dem Frieden in den Weg stellt. Mächtige, die Gewalt ausüben. Mächte, die Menschen beherrschen. Manchmal sind diese Mächte unsichtbar, manchmal spinnen sie ein Netz über ganze Gesellschaften, oft bleiben sie ohne Namen und ohne Gesicht – dann gehört es zu unseren Aufgaben, sie zu erkennen und zu benennen. Das nimmt ihnen schon eine Menge ihrer Macht.“

Das gefiel Obelix: „Oh ja, da haben wir was gemeinsam! Wir kämpfen auch gegen Mächte und Mächtige! Die Römer wollen unser Dorf erobern und besetzen! Sie wollen uns beherrschen! Die ganzen Gegenden um uns herum unterdrücken sie schon! Sie sind mächtig und sie sind viele. Ihre Macht ist immer da, aber wie du sagst: sie selbst können wir nur angreifen, wenn sie sich zeigen. Und für diese Situationen haben wir dann den Zaubertrank. Damit können wir zurückschlagen. Wumms und wumms und wumms, damit verprügeln wir sie, bis sie sich nicht mehr rühren! Haha!“ Obelix klopfte sich vor Freude auf die Schenkel.

Aber der Holzbalkenmann lachte nicht mit. Seine Mine war ernst. Mit geradezu besorger Stimme fragte er: „Glaubt ihr denn, dass Gewalt hilft?“ Obelix verstand die Frage nicht. „Hä? Na klar. Wenn wir die Römer verprügelt haben, liegen die jammernd auf dem Boden und lassen uns in Ruhe. Ist doch super. Wo ist das Problem? Die Starken gewinnen eben immer!“

Auf Unterstützung hoffend blickte er auf Asterix runter. Nun ja, der sah auch nicht gerade aus wie der Stärkste. Klein und schmächtig stand er da und zwirbelte seinen Bart zwischen den Fingern. Wie gut, dass es den Zaubertrank gibt, dachte Obelix heimlich.

Asterix sprang ihm zur Seite: „Guter Paulix, stellt ihr etwa in Frage, dass der Stärkere immer gewinnen soll? Immerhin lasst ihr doch auch in euren Schwachen eine Kraft mächtig sein!“

Oh, das war gut, dachte Obelix. Dieser schlaue Asterix. Gerührt blickte Obelix auf seinen Freund. Oh ja, es gab eine Sache, die stärker war als Gewalt: Einen wie Asterix zu haben, der immer bei einem ist. Zusammenhalt. Freundschaft. Unterstützung. Solidarität.

Der Holzbalkenmann schien seine Gedanken erraten zu haben: „Die Stärke, von der wir reden, ist eine andere Stärke als die der Gewalt. Es geht nicht darum, die Schwachen aufzurüsten, damit sie bei der Stärke mit Mitteln der Gewalt mithalten. Es geht darum, den Mitteln der Gewalt etwas entgegenzustellen. Etwas, das stärker ist als Gewalt, weil es sich mit der Gewalt gar nicht erst misst, sich gar nicht auf sie einlässt. Sonst würden wir ja auch wieder nur Gewalt in die Welt bringen. Nein, wir wollen nicht Gewalt in die Welt bringen, sondern Gutes. Wahrheit statt Heuchelei, Ausreden, fauler Kompromisse und Sachzwänge. Gutes tun, Frieden anbieten, Anteilnahme zeigen statt anderen Ärger machen. Vertrauen statt Unterdrückung. Unsere Stärke ist unsere Gewissheit, nicht Gewalt. Wir wollen ein friedliches Miteinander, nicht indem der Starke den Schwachen zum Schweigen bringt, sondern indem wir anfangen, einander zuzuhören, einander wahrzunehmen, einander ernst zu nehmen. In unserem Miteinander brauchen wir Gewalt auch nicht als Strafe, sondern wir benennen, was falsch läuft und reichen uns die Hand, um es gemeinsam nochmal besser zu versuchen. Strukturen und Personen, die definieren, wer mächtig und wer ohnmächtig ist, sollen bei uns keine Macht haben. Erfahrungsgemäß gefällt das denen, die Macht haben und sich stark fühlen, nicht besonders. Deswegen sind diejenigen, die sich als schwach wahrnehmen, offener dafür, so eine Wirklichkeit mitzugestalten und sich dafür mit der Kraft erfüllen zu lassen, die diesen Weg unerschrocken und konsequent aufgezeigt hat: Die Kraft Jesu Christi.“

Asterix und Obelix waren neugierig geworden und versuchten zu verstehen, wie das gehen sollte. „Also ist dieser Jesus Christus ein Druide?“
Der Holzbalkenmann lächelte: „Naja, auf den Gedanken könnte man kommen! Wie manche Druiden ist Jesus Christus ein Heiler, hat Menschen beraten, Frieden gestiftet, hatte viel mit Philosophie und Religion zu tun, sprach von Wiedergeburt und sah sich als Gottessohn. Aber sein Kraftwirken war nicht gebunden an Gegenstände, Rituale, Opfer, Sprüche oder Praktiken. In der Kraft Jesu Christi offenbart sich die Liebe Gottes. Und die bindet die Stärke und Schwäche von Menschen nicht wieder an etwas, was sie tun, sondern befreit sie von allen ‚zwangs-läufigen‘ Wirkungsketten. Wir handeln nicht, um frei zu werden – wir handeln, weil wir frei sind. Das macht uns so stark!“

Asterix und Obelix dachten an Miraculix und den Zaubertrank und wurden skeptisch. Was würde der Holzbalkenmann dann halten von den Kräutern, die sie in ihren Körben hatten? Wenn er nicht glaubte, dass diese Kräuter maßgeblich seien für die Kraft, die er beschrieb: Dürfte er sie dann anfassen oder gar essen? Asterix hielt ihm den Korb hin: „Das hier ist die Grundlage unsere Zaubertranks, der uns so stark macht. Stehen diese Kräuter der Kraft, die du beschreibst, entgegen?“ Der Holzbalkenmann lachte: „Aber nein, wieso denn? Lecker sehen die aus! Gott hat sie geschaffen, warum sollten wir sie nicht genießen?“ Und er griff beherzt hinein und stopfte sich ein paar Blätter in den Mund. Obelix sah das mit Wohlwollen und begann, den Holzbalkenmann zu mögen. Der würde bestimmt auch Wildschweine essen.

Skip to content