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Nur mit meinem Einverständnis! (Und von wegen „Bitte um Akzeptanz“.)

Predigt MCC Köln, 10. Sept. 2017
Ines-Paul Baumann (anlässlich der Kindersegnung von Eliah)

Markus-Evangelium 10,13-16: „Jesus segnet die Kinder“

Ich lese gerne Bücher, die gegen den christlichen Glauben argumentieren. Sie sind eine der wenigen Quellen, die auf Widersprüche hinweisen. Oft reiten sie darauf herum, und ich nehme an, dass es gute Gründe gibt für ihren oft polemischen, herablassenden, abweisenden Ton. Das nervt oft, aber in der Sache bekomme ich oft hilfreiche Impulse.

Ein Beispiel für die herangezogenen Widersprüche in der Bibel ist die Frage: Wann wurde Jesus zum Sohn Gottes? Die Bibel nennt ganz widersprüchliche Zeitpunkte dafür:

  • durch seine Auferstehung (Röm 1,4)
  • bei seiner Taufe (Mk 1,11)
  • präexistent (Joh 1,1+14)

Hinter diesen Widersprüchen steht allerdings eine Logik: Je später der Text verfasst wurde, desto früher ist Jesus der Sohn Gottes.

In der Logik dieser Widersprüche zeigt sich eine Entwicklung, ein Anliegen, ein Prozess. THEOLOGIE und GLAUBE sind nicht nicht starr und fixiert, sondern abhängig von Umständen.
(In der MCC reden wir deswegen auch von mehreren „Theologien“ statt von einer „Theologie“.)

Statt von „DER EINEN WAHRHEIT“ oder „RICHTIG GEGEN FALSCH“ auszugehen, erkennen wir an, dass es verschiedene Sichtweisen und Glaubensweisen gibt.

Das ist für das Christentum insgesamt durchaus üblich. Allerdings verteilen sich diese verschiedenen Sichtweisen üblicherweise auf verschiedene Kirchen, innerhalb derer dann etwas Ähnliches geglaubt wird.

Ein Beispiel dafür ist die Taufe. Es gibt viele verschiedene Meinungen darüber, was Taufe bedeutet – und wann, wie und wofür eine Taufe zu vollziehen sei. In der MCC findet ihr sie alle :)

Da wir heute aber das Kind von Marianne und Janine segnen (und eben NICHT taufen), ist heute wichtig, wie DIE BEIDEN Taufe und Segnung verstehen.

Für Marianne und Janine (und ich bitte die beiden, mich zu korrigieren, wo ich etwas falsch verstanden habe), haben sowohl Segnung als auch Taufe ihren Ursprung in der Liebe Gottes. Allerdings tritt diese Liebe dabei unterschiedlich in Erscheinung:

  • SEGNUNG gründet in der Zusage Gottes, immer bei uns und immer für uns zu sein. Der Segen ist ein Symbol für diese Gewissheit. Egal was ist: Gott ist immer für uns da. Das ist übrigens auch der Grund, warum Denise heute die ehrenvolle Aufgabe als Patin übertragen bekommt. Dieses Vertrauen setzen Janine und Marianne deswegen in sie, weil (wie Janine sagte): „Egal was war, Denise war immer für mich da.“
    Im Segen vertrauen wir auf Gottes Zusage, immer für uns da zu sein. Oft verbinden wir das mit Schutz, Geleit und Wohlergehen – wohl wissend, dass Gott uns wahrlich nicht vor allem bewahrt. In unserem Liederbuch steht das Zitat: „Manchmal beruhigt Gott den Sturm, aber manchmal lässt Gott den Sturm wüten und beruhigt sein Kind.“ (Hans-Peter Royer)
  • Viele Gläubige verbinden genau das mit der TAUFE von Kindern. Für viele andere hingegen (und da zählen sich Janine und Marianne dazu) hat die Taufe eine andere Bedeutung: Für sie geht es bei der Taufe um die EIGENE Reaktion auf Gottes Liebe. Das ist kein Gegensatz zum Segen, nur die Richtung ist anders: Im Segen vergewissern wir uns der Liebe, die GOTT uns schenkt; und in der Taufe zeigen wir UNSERERSEITS, dass wir uns Gottes Liebe anvertrauen wollen mit allem, was uns uns ausmacht.

Irdische Liebes-Ideale geben uns für beides Erfahrungsräume:

  • Die Liebe beim SEGEN ist wie die, die sich Kinder von ihren Eltern wünschen. Diese Liebe ist einfach immer da, sie fühlen sich angenommen und behütet.
  • Die Liebe bei der TAUFE ist wie die, wenn ich mich aus eigener Entscheidung auf/mit jemandem einlasse. ICH entscheide das. Ich kann JA sagen oder auch NEIN – und nur ein JA aus freien Stücken ist ein GÜLTIGES JA. Was auch immer das für ein Miteinander ist: Voraussetzung muss sein, dass alle Beteiligten sich aus freiem Willen und im Wissen um das, was sie tun, damit einverstanden erklären.

Was für Beziehungen und Sex gilt, muss auch für Religion gelten: Niemand darf gegen den eigenen Willen dazu gezwungen werden, dazu verführt werden oder dafür benutzt werden. Leider sind genau das Erfahrungen, die Menschen immer wieder mit Religion machen, auch in christlichen Kirchen. Religiösem und geistlichem Missbrauch ist aber mit allen Kräften entgegenzutreten.

Deswegen ist es Marianne und Janine so wichtig, dass ihr Sohn Eliah selbst darüber entscheiden soll, wann und inwieweit und in welcher Form er sich auf Gott einlässt.
Aber das, was Kindern bei der Kindertaufe zugesprochen wird, soll natürlich trotzdem auch für Eliah gelten: Dass Gott ihn annimmt, so wie er ist, und dass er in Gottes Händen geborgen ist. Kein Glück auf Erden und kein Leid auf Erden können sich dieser Liebe Gottes in den Weg stellen. Dieser Eliah, so wie er hier und heute da ist, ist ein Kind Gottes, ein Wunschkind Gottes, ein Werk Gottes, ein Geschenk Gottes – und nicht zuletzt ein Vorbild Gottes:

In der Lesung haben wir gehört, dass Kinder auch schon zu anderen Zeiten nicht unbedingt willkommen waren, wenn Menschen ihrem großen Meister Jesus die Ehre erweisen wollten. Kinder entsprechen oft nicht dem angepassten Verhalten, wie es für Gottesdienste angemessen erscheint. Kinder, Behinderte (also Menschen, die von ihrer Umwelt BEHINDERT werden), psychisch „Kranke“, Menschen am Rande der Geschlechterrollen: Wie oft tun Glaubende so, als müsse Gott vor ihnen geschützt werden. Kindertaufe wurde unter anderem deswegen so wichtig, weil Menschen mal dachten, dass der reine heilige Gott in diesen kleinen Menschen nur schlimme unreine Sünder sehe – und sich von ihnen abwenden müsse, seien sie nicht durch die Taufe reingewaschen.

Jesus zeigt, dass nichts ferner liegt: Als die Kinder zu ihm wollen, wendet er sich nicht entsetzt ab, hält sich die Augen zu und stöhnt: „Oh nein! Ungetaufte Kinder! Unerträglich! Taufet sie und waschet sie rein, erst dann mag ich mich ihrer annehmen!“

Nein, hier sind es die Erwachsenen, die ein Problem mit Kindern haben und das auf Jesus übertragen. Dieser Mechanismus ist sicher auch da oft am Werk, wenn Gott angeblich nur Heterosexuelle Cis-Menschen wirklich liebt.

Jesus hat hierfür null, NULL Verständnis. Er argumentiert nicht lange rum, er bettelt nicht um Akzeptanz, er hofft nicht auf Duldung – er wird UNWILLIG. Und anstatt in ihnen ein Problem zu sehen, sieht er in ihnen ein Vorbild: „Wer das Reich Gottes nicht so annimmt, wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen. Und er nahm die Kinder in seine Arme; dann legte er ihnen die Hände auf und segnete sie.“ (Mk 10,16)

Genau das soll Eliah jetzt auch zuteil werden.

 

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