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Lobpreis-Reiki? („Wenn du das-und-das mitmachst, wird die Kraft auch für dich spürbar!“)

Predigt MCC Köln, 30. August 2020
Ines-Paul Baumann

Psalm 22,2-8

„Puh, dieser Mensch ist offensichtlich gerade gar nicht gut drauf. Dabei könnte ihm geholfen werden! Er müsste nur mal zu einer Esoterik-Messe gehen / nur mal die richtige Gemeinde finden…!“

Es ist lange her, dass Esoterik für mich ein wichtiges Thema war. Sie war nicht deswegen wichtig, weil ich mich der Esoterik so verbunden gefühlt hätte. Im Gegenteil: Es war wichtig, dass ich mich von ihr abgrenzte. Ich war nämlich ein guter Christ. Und in unseren Gemeinden war nicht nur wichtig, was im Mittelpunkt unseres Glaubens stand (Jesus! Nachfolge! Lobpreis! Heiliger Geist!). Genau so wichtig war, wovon wir uns abgrenzen mussten (Esoterik! Okkultismus! Namenschristen!). Genau so wichtig wie das, was wir tun sollten, war das, was wir NICHT tun sollten. Es war nicht nur wichtig, genau zu wissen, was christlich war. Ebenso wichtig war, genau zu wissen, was alles esoterisch war.

Als mich nun diese Woche Frage erreichte, wie es denn meiner Meinung nach so stehe um die Esoterik und das Christentum, wollte ich mich also erst mal gründlich informieren. Was genau ist denn nun „Esoterik“? Anders als früher war es gar nicht so einfach, das genau abzugrenzen. So viele Kennzeichen, die typisch sind für Esoterik, waren aus meiner Erfahrung auch in christlichen Gemeinden zu finden. Und nicht irgendwie auch in der Bibel?!

Bei Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Esoterik) steht zum Beispiel:

„Esoterik: Lehre, die nur für einen begrenzten „inneren“ Personenkreis zugänglich ist“
(In meinen früheren Gemeinden klang das so: „Nur die WAHREN Christen kennen Gott!“ Wahlweise waren das beispielsweise die, die in Zungen beten können, oder die ihr Leben „Jesus übergeben“ haben, etc… / Aber heißt es nicht auch in der Bibel: „Wer an mich glaubt, …“?!)

Weiter steht dort: „Faivre versteht Esoterik als bestimmte Art und Weise des Denkens:
• Entsprechungen: Zwischen allen Teilen der sichtbaren Welt und allen Teilen der unsichtbaren Welt und umgekehrt existieren symbolische oder reale Verbindungen. Diese Verbindungen können durch den Menschen erkannt, gedeutet und benutzt werden.
(Bei meinen „wahren Christen“ klang das so: „Alles, was mir passiert, sind Zeichen bzw. Botschaften von Gott!“ / Und in der Bibel? Da ist Gott im Wehen des Windes, Jesus kann den Sturm stillen, die Pflanze neben Jona geht ein, …)
• (…)
• Imagination und Mediation: Es gibt eine Reihe von Vermittlern, die die Entsprechungen offenbaren können (als Rituale, Geister, Engel, symbolische Bilder). (…) mit dessen Hilfe der Mensch eine Verbindung zu einer unsichtbaren Welt herzustellen vermag.
(Oder mit den Worten meiner früheren Gemeinden: „Gott hat mir ein Bild für dich gegeben.“ / „Wenn du richtig betest (oder: wenn du richtig Lobpreis machst), erfährst du Gott!“ / „Wir beten über dich, damit verbinden wir dich mit Gottes Kraft, und dann treibt Gott dir dein Problem aus.“ / Und in der Bibel? Da wird das Los geworfen, den Sternen gefolgt um Gott zu finden, und Träume offenbaren Gottes Willen…)
• Erfahrung der Transmutation: Transmutation ist ein ursprünglich aus der Alchemie stammender Begriff und bedeutet die Verwandlung eines Teils der Natur in etwas anderes auf qualitativ neuer Ebene. In der Alchemie wäre dies beispielsweise die Verwandlung von Blei in Gold. Dieses Prinzip wird in der Esoterik auch allgemein auf den Menschen angewendet und steht dann für die sogenannte „zweite Geburt“ oder die Wandlung zum „wahren Menschen“ im Verlauf eines individuellen spirituellen Heilswegs.“
(In christlichen Zusammenhängen: „Bist du ein richtiger, also neugeborener Christ?“ „Im Abendmahl nehmen wir nicht Brot und Kelch, sondern Leib und Blut Christi zu uns.“ / In der Bibel: Gott gibt uns ein Herz aus Fleisch statt aus Stein, in Christus sind wir nicht mehr Mann und Frau, …)

So manches, was ich in christlichen Gemeinden erlebt habe, kann ich von den Beschreibungen für Esoterik kaum unterscheiden. Hier ein anderes Beispiel:

Ein Lobpreis-Leiter schreibt über Lobpreis: „In geistlicher Musik kann Gottes Kraft spürbar werden. Deshalb brauchen Lobpreisleiter nicht nur eine musikalische Gabe, sondern auch einen Draht nach oben. (…) Wenn wir Musiker nicht unsere Kraft aus Gottes Wort ziehen, wird unsere Musik keine Kraft haben, keine Herzen verändern und niemanden zu Jesus ziehen. Aber darum geht es am Ende.“ (https://www.jesus.de/was-ist-guter-lobpreis/)

Hier ein Zitat aus einer christlichen Stellungnahme dazu, warum Reiki unchristlich ist: „Der Therapeut, der die Hände auflegt, handelt als «Kanal» für die Reiki-Energie, die er auf den Patienten überströmen lässt. (…) Der Fluss dieser Energie ist in der Regel spürbar.“ (http://www.kathpedia.com/index.php?title=Reiki – Link nicht mehr verfügbar/Stand: 28.09.2022)

Wo ist da nun der Unterschied zu dem Lobpreisleiter? Was hat der anderes gesagt als: „Der Leiter der Band, die den Lobpreis leitet, handelt als «Kanal» für die Kraft Gottes, die er auf die Gemeinde überströmen lässt. (…) Der Fluss dieser Kraft ist in der Regel spürbar.“

Aus meiner Sicht gibt es zwei entscheidende Punkte, an denen es problematisch wird:

  1. Problematisch finde ich alles, was mich in meinen geistlichen Leben bzw. Glaubensleben abhängig macht, also wo ich angewiesen bin auf: bestimmte Praktiken, bestimmte Menschen, best. Organisationen, best. Haltungen/Denkweisen, best. Ziele, best. Mächte.
  2. Problematisch finde ich alles, was von sich beansprucht, Gott (Heil/ung, Tote, Vergangenheit, Zukunft….) verfügbar machen.

Zusammengenommen: „Ich muss DAS UND DAS tun, um DA UND DA hinzukommen“ – als käme es nur auf die richtige Technik an, die richtigen Meister, die richtige Denkweise, die richtige Nahrung, … oder die richtige Art zu beten.
(Und was immer auch beinhaltet: „So, wie es ist, ist es nie in Ordnung, nie genug, nie annehmbar; ich muss immer höher gelangen.“)

Nochmal: Diese Punkte beschreiben aus meiner Sicht nicht nur „Esoterik“, sondern auch so manches in christlichem Kontext. Und ich finde sie in BEIDEN Zusammenhängen problematisch. Oft sogar problematischer als die Sache selbst, um die sie sich drehen: Hände auflegen kann voll ok sein, Fußsohlen kneten kann voll ok sein, über Bilder auf Karten assoziieren kann voll ok sen, einen Stein anfassen kann voll ok sein, Loblieder singen kann voll ok sein, einen Menschen inspirierend zu finden kann voll ok sein… Aber eben nur, solange das nicht „magisch“ wird. Mich erinnert das an die Diskussion um das Götzenopferfleisch im Neuen Testament: Haben Dinge (insbesondere aus nicht-christlichen Glaubenswelten) Macht über uns? Oder sind wir in Christus nicht vielmehr zur Freiheit berufen? Paulus lässt je nach persönlicher Glaubenslage beide Ansichten „wirklich“ sein. (Predigt dazu: https://www.mcc-koeln.de/ware-beate-doch-blos-nie-erzahlt-worden-dass-sie-gerade-shamanische-heilgesange-gehort-hatte-aspekte-zu-glaube-und-aberglaube-macht-und-machten-freiheit-und-gewissen/)

Seitdem ich nicht mehr an Techniken oder „Meister/Lehrer“ glaube, sind Techniken oder „Meister/Lehrer“ für mich weder innerhalb noch außerhalb meines Glaubenslebens wichtig und mächtig. Umgekehrt scheinen mir ausgerechnet die Gemeinden, denen die Abgrenzung von Esoterik am wichtigsten war, oft am ehesten einen Glauben praktiziert zu haben, der auf geradezu esoterische Weise von bestimmten Techniken/Menschen abhängig machte und über Gott zu verfügen meinte (wie der eben zitierte Lobpreisleiter).

Ganz passend zusammengefasst fand ich das auf der Homepage von „GottesSuche – Glaube nach Gewalterfahrungen“. Sie nennen diese Kombination „esoterisches Christentum“ und schreiben dazu:

„[Im esoterischen Christentum muss sich der] Mensch (…) grenzen- und gnadenlos anstrengen, um die Einheit mit Gott zu erreichen. Wenn die eine Technik sie nicht ermöglichte, muss die nächste und die dritte und vierte Technik ausprobiert werden. Im Christentum darf eine Christin sein, was sie ist: fehlbar. Die Christin muss weder Gott noch sich selbst zur Gänze verstehen wollen. Sie darf die Bruchstückhaftigkeit, die Vorläufigkeit, die Fehlerhaftigkeit ihres Lebens und ihrer Gotteserkenntnis Gott zur Vollendung überlassen.“
(https://www.gottes-suche.de/glaube-nach-gewalterfahrung/was-ist-nicht-hilfreich/)

Für weitere Infos und Beratung s.a.: https://sekten-info-nrw.de/

 

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