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Du musst nicht fasten (Impuls zur Fastenzeit)

Predigt MCC Köln, 21. Februar 2021
S.

17.2. Beginn der Fasten-/Passionszeit
21.2. Tag der ungelebten Laster

Content Hinweis: Heute geht es um Fasten; zur Sprache kommen auch Essstörungen. Wenn das für dich heute nicht passt, tu dir was Gutes und mach was anderes.

Begrüßung und Eröffnung

(Ines-Paul)

Wir sind nun zusammen versammelt

  • im Namen Gottes, die uns ins Leben gerufen und zum Leben berufen hat,
  • im Namen Jesu Christi, der sich dafür erklären musste, dass er mit seinen Jüngerinnen und Jüngern nicht gefastet hat,
  • und im Namen des Heiligen Geistes – Wahrheit, die befreit, auch von vergifteten Gottesbildern, vergifteten Menschenbildern und vergifteten Selbstbildern.

Und wir entzünden die Gemeindekerze, in der unsere Gemeinschaft aufleuchtet mit denen, die wir sehen, und mit denen, die wir nicht sehen:
alle 33 Gemeindemitglieder,
alle 165 Follower unseres Insta-Accounts,
alle 309, die derzeit unseren Newsletter abonniert haben,
alle, die bei diesem Gottesdienst dabei sind,
und alle, die heute bei unseren Gottesdienst nicht dabei sein möchten oder können.

In dieser Gemeinschaft sind nicht nur alle Menschen willkommen, sondern auch alle unsere Anteile: die Anteile in uns, die wir uns und anderen zeigen, genau so wie die, die wir vor uns oder anderen verbergen.
Gott heißt uns willkommen mit allem, was wir heute mitbringen wollen, und mit allem, was wir heute außen vor lassen wollen.

Lesung

Die Jüngerinnen und Jünger des Johannes sowie die pharisäischen Leute fasteten. Andere Leute kamen und fragten Jesus: »Warum fastet die pharisäische Gefolgschaft und die des Johannes, deine aber nicht?«

Da antwortete Jesus ihnen: »Kann etwa die Hochzeitsgesellschaft fasten, während der Bräutigam bei ihnen ist? Solange sie den Bräutigam bei sich haben, können sie nicht fasten. Es werden aber Tage kommen, da wird ihnen der Bräutigam entrissen, und an jenem Tag werden sie fasten.

Markusevangelium 2,18-20
(Bibel in gerechter Sprache)

Predigtimpuls

(S.)

Das Thema für unsere Gottes*dienste ist diesen Monat die Frage „Was müssen wir TUN, um Christ:in zu sein?“, und heute ist unser erster Gottes*dienst in der Fastenzeit. Da liegt es nahe, sich zu fragen, ob wir fasten müssen. Es gibt vielseitige theologische Gedanken zur Rolle von Fasten und Verzicht im Glauben – ich habe in den letzten Tagen über unseren Insta-Account viele Meinungen aus anderen Gemeinden dazu gelesen. Es kann bereichernd sein, darüber zu diskutieren. Das können wir auch gerne nachher machen. Aber gerade möchte ich die Gelegenheit nutzen, um einer Perspektive Raum zu geben, die bei dem Thema oft zu kurz kommt: die Perspektive von Menschen mit Essstörungen. Ich habe selbst viele Jahre mit Essstörungen gelebt, daher weiß ich, dass diese Zeit für manche Menschen schwer ist. Und ich möchte gerade mit diesen Menschen sprechen.

Ich weiß, dass Zeiten wie die nächsten sieben Wochen richtig hart sein können, wenn Essstörungen in deinem Leben eine Rolle spielen oder gespielt haben. Auch wenn es zunehmend Initiativen gibt, dass neben Essen andere Dinge gefastet werden können – Instagram, Auto fahren, Plastik – ist es verdammt schwer, Stimmen zu entkommen, die jetzt in hohen Tönen Nahrungsverzicht loben. Im Zuge der Fastenzeit wird so viel erzählt, das sich exakt wie die Stimme der Essstörung in deinem Kopf anhört. Stimmen, dass Verzicht auf Nahrung dich zu seinem besseren Menschen macht. Dass du mehr geliebt wirst, wenn du Dinge aus deinem Leben streichst. Dass du dich „bereit machen musst“, um Gutes in deinem Leben zu erfahren. Dass Gott* nur erfahrbar ist, wenn du dich zurücknimmst und verzichtest. Ich weiß, dass diese Zeit, in der andere sich besonders um Nächstenliebe bemühen, sie geradezu vor sich hertragen, dass gerade diese Zeit sich sehr einsam anfühlen kann. Weil dich irgendwie keine*r so richtig im Blick hat. Dieses Jahr fällt die Fastenzeit noch dazu in die Corona-Pandemie; eine Zeit voller Unsicherheit, Sorgen und Verzicht, die ohnehin schwer ist, und dir vielleicht stärkende Ressourcen unter den Füßen wegzieht. Da kann die Fastenzeit echt das Letzte sein, was du gerade brauchst. Ich sehe dich.

Dein Körper hat Nahrung verdient – egal, was der Kirchenkalender sagt, – egal, was dein_e Pastor*in sagt – egal, was du gelernt hast, was Gott* sagt. Was hat Gott* eigentlich gesagt?

Auf die Frage, warum seine Jünger* nicht fasten, hat Jesus geantwortet: „Kann etwa die Hochzeitsgesellschaft fasten, während der Bräutigam bei ihnen ist? Solange sie den Bräutigam bei sich haben, können sie nicht fasten. Es werden aber Tage kommen, da wird ihnen der Bräutigam entrissen, und an jenem Tag werden sie fasten.“ [Bibel in gerechter Sprache: Mk 2,19-20]. Die Stelle ist auf verschiedene Weisen interpretiert worden, aber ich lese darin:

Gott* ist nicht zwangsläufig da, wo viel und entbehrlich gefastet wird.

Und manchmal kann Fasten sogar ein Zeichen dafür sein, dass Gott* nicht mehr da ist.

Ich glaube aber, dass Gott* immer da ist. Gott* begleitet dich durch alle Phasen und alle Zeiten, sieht, wo du im Leben stehst und was dich gerade beschäftigt, und bestärkt dich in dem, was für dich heilsam ist. Gott* ist als liebende Stütze unter uns. Und deshalb musst du nicht fasten.

Wenn dir die Fastenzeit trotzdem wichtig ist, und du einen Weg suchst, wie du diese Zeit miterleben kannst, ohne dich zu gefährden, dann möchte ich dich einladen zu hinterfragen, was Fasten bedeutet. Die Fastenaktion der evangelischen Kirche in Deutschland, 7 Wochen Ohne, hat diesmal das Motto: „Spielraum! Sieben Wochen ohne Blockaden!“. Das ist eine Einladung, alte Gedankenmuster aufzubrechen und den Spielraum zu schaffen, der Bewegung ermöglicht. Es soll eine Chance sein, sieben Wochen lang kleine Strategien zu überlegen, wie wir Blockaden in unserem Leben auflösen können. Ich finde, dass klingt nach einer sinnvollen Alternative. Das klingt sogar nach einer Alternative, die dir helfen könnte, erste Schritte aus der Essstörung herauszugehen. Dafür gibt es unter anderem diese Beratungsressource:

BZgA Essstörungen: https://www.bzga-essstoerungen.de/

Ich weiß nicht, zu wem ich heute spreche – ob zu Personen, die heute im Gemeindezentrum anwesend sind; zu Menschen, die den Gottes*dienst online verfolgen oder auf YouTube nach schauen, oder zu Menschen, die diesen Text im Predigtarchiv lesen. Aber wenn es dir so geht wie mir – wenn in deiner Vergangenheit oder jetzt gerade eine Essstörung dein Leben erschwert, dann möchte ich dir sagen: du bist nicht allein. Gott* ist Liebe und Unterstützung; Gott* ist stolz auf jeden Schritt, den du gehst, um gesund zu werden – oder gesund zu bleiben. Gott* fordert von dir keine Schritte in die Krankheit. Du darfst die Fastenzeit so gestalten, wie sie dir gut tut – und du darfst sie auch einfach ignorieren. Du musst nichts tun, um Christ:in zu sein – vor allem aber musst du nicht fasten.

 Abendmahl

(Ines-Paul; danke für Anregungen: https://enfleshed.com/pages/lgbtq-related, „Communion (3)“; Anmerkung: Vorstehender Link existiert nicht mehr.)

Gott, hab Dank, dass du nicht in der Ferne wohnst, sondern inmitten unseres Lebens. Zu oft, o Gott, wird behauptet, dass die Bedürfnisse, Sehnsüchte und Wünsche unseres eigenen Körpers eine Barriere seien für unser Leben in dir. Wir werden dazu ermutigt, unsere körperlichen Bedürfnisse und die unserer Nächsten zu übersehen. Wir werden darin bestärkt, uns wegen unserer Körper zu verurteilen, und andere wegen ihrer Körper zu verurteilen.
Aber in deiner Liebe zu uns und zu deiner gesamten Schöpfung bist du selbst Mensch geworden, in einem Körper wie wir. Durch Christi Leben, Tod und Auferstehung hast du, Gott, gezeigt, dass unser Glaubensleben und unsere Leiblichkeit zusammengehören und dass du inmitten unserer Körper bei uns ist – nicht trotz unserer Körper.
In Jesus hast du uns gezeigt, wie sehr du uns achtest und liebst, in und MIT unseren Körpern. Jesus hat nicht nur gerne mit Menschen diskutiert, er hat auch gerne mit ihnen gegessen.

Und als sein eigener Körper von politischer und religiöser Hinrichtung bedroht war,
in der Nacht, bevor Jesus hingerichtet wurde,
saß er mit denen, die bei ihm waren, zu Tisch,
und er aß und trank mit ihnen.
Jesus Christus, unser Bruder, nahm das Brot, dankte dafür und brach es. Er gab es denen, die bei ihm waren, und sprach: Nehmt und esst: Brot des Lebens. Das bin ich für euch. (Kreuzzeichen)
Nach dem Mahl nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet, gab ihnen den, und sie tranken alle daraus. Und er sprach: Sooft ihr künftig von den Lebensgaben Gottes esst und trinkt und meiner gedenkt, bin ich in eurer Mitte. (Kreuzzeichen)

Ja, du bist heilig, Gott, du bist der Quell aller Heiligkeit.
Sende deinen Geist auf diese Gaben herab und heilige sie.
Und sende deinen heiligen Geist auf uns.
Belebe, was in uns abgestorben ist.
Erfrische, was in uns vertrocknet ist.
Heile, was unsere Seelen vergiftet.
Lass uns durch dieses Brot und durch diesen Kelch Leben schmecken,
Leben mit deinem Zuspruch und deiner Unterstützung.

Sendung & Segen

(Ines-Paul)

Gott behüte dich bei der Auswahl dessen, was du an Speisen und Gedanken zu dir nimmst,
und was du von all den vielen Angeboten lieber ablehnen möchtest.
Gott bewahre dich im Tun wie im Lassen.
Gott begleite dich im Gelingen und im erneuten Versuchen.
Gott segne, was du hinter dir lässt,
Gott segne dein Werden,
Gott segne dich inmitten all dessen, was für dich gegenwärtig ist
– heute und in Ewigkeit.

+ anschl. Austausch und Gespräch.

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