Impuls MCC Köln, Ines-Paul Baumann
7. Januar 2024
1. Korinther 16,14
„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ 1. Korinther 16,14 (E)
Ist das so nicht sehr allgemein formuliert? Was wird im Namen von „Liebe“ nicht alles getan?
Aus „Liebe zum Vaterland“ sterben Menschen in Kriegen.
Aus „Liebe“ werden Frauen ermordet.
Aus „Liebe“ werden trans* Kinder davon abgehalten, sich zeigen zu dürfen.
Aus „Liebe zu Gott“ werden in Gemeinden missbräuchliche Strukturen aufrecht erhalten.
Aus „Liebe“ bauen sich Abtreibungsgegner*innen bedrohlich vor Arztpraxen auf.
Was versteht Paulus selbst darunter? Der Vers steht am Ende seines Briefes an die Gemeinde in Korinth. Es geht in diesem Abschnitt viel um Personen, um Beziehungen und Bezüge, um konkretes Miteinander als Gemeinschaft. Paulus nennt sehr konkret Beispiele dafür, was er sich für die Gemeindepraxis in Korinth wünscht:
- [bezüglich des jungen Timotheus:] achtet darauf, dass er ohne Angst bei euch sein kann
- Keinesfalls soll ihn jemand verachten
- Gebt ihm das Geleit in °Frieden
- [bezüglich des Haushalts des Stephanas und der Frauen und Männer dieses Haushalts:] dass ihr auf sie hört und auf alle, die an dieser Aufgabe beteiligt sind und Schwerstarbeit leisten
- [bezüglich Stephanas, Fortunatus und Achaïku:] Ihr solltet sie also anerkennen
Ohne Angst Teil der Gemeinde sein können.
Keine Verachtung erfahren.
Geleit in Frieden bekommen.
Aufeinander hören.
Anerkennung.
Geht gut miteinander um, sagt Paulus: Und zwar sowohl mit Neuen als auch mit denjenigen, die tragende Säulen der Gemeinschaft sind.
Geht gut miteinander um, sagt Paulus, und zwar inmitten eurer Vielfalt an Geschlechtern, Weltanschauungen und Gewohnheiten.
Mit was für einer Vielfalt die Gemeinde in Korinth in Berührung kam, zeigen
– die Namen, die Paulus nennt (Timotheus, Apollos, Stephanas „und die Frauen und Männer dieses Haushalts“, Fortunatus, Achaïkus, Aquila und Priska „mit den Menschen der Gemeinde, die sich um ihr Haus schart“),
– die Orte, mit denen die Gemeinde in Kontakt steht (Galatien, Jerusalem, Mazedonien, Ephesus, Achaia, Asien),
– und die Themen, die Paulus in seinen Briefen aufgreift (oft mit dem Fazit: die einen so, die anderen so).
Paulus hätte auf die Vielfalt an Menschen und Meinungen in der Korinther Gemeinde auch ganz anders reagieren können. Er hätte zum Beispiel ein inhaltliches Manifest aufsetzen können, auf das sich dann alle hätten einigen müssen, die dabei bleiben wollten.
Hat er aber nicht. Das ist um so bemerkenswerter, weil Paulus genau da her kam: Bevor er sich zur Nachfolge Jesu anschloss, war er bekannt als ein Mensch mit festen Überzeugungen, klaren Haltungen, einem sehr ausgeprägten Richtig-und-Falsch-Denken.
Es gibt derzeit eine große Bewegung von Menschen, die ihren Glauben dekonstruieren. Die sich abkehren von dem Richtig-und-Falsch-Denken ihrer Gemeinden, den Hierarchien, der subtilen und offenen Manipulation, der Einflussnahme und den vergifteten Bindungen.
Auch Paulus hat in seinem Denken und Glauben einen Wandel vollzogen (einen Wandel, wie wir ihn auch in der Glaubensentwicklung Bibel insgesamt finden): Der Gott, an den Paulus jetzt glaubt, zeigt sich nicht mehr in der Verfolgung Andersdenkender oder in einer einheitlichen Meinung. Der Gott, an den Paulus jetzt glaubt, zeigt sich darin, dass Menschen gut miteinander umgehen.
Die gemeinsame Grundlage als Gemeinde ist nicht mehr, inhaltlich derselben Meinung zu sein, denselben Lebensstil zu pflegen, Glaube auf dieselbe Art zu leben. Die gemeinsame Grundlage, die Paulus einfordert, ist ein respektvoller Umgang miteinander.
Mich erinnert das an viele Teilaspekte aus unserer Mitgliedschaftsvereinbarung und Geschäftsordnung, wie wir miteinander umgehen wollen: Erstmal davon ausgehen, dass andere sich etwas Gutes gedacht haben bei dem, was sie tun. Grenzen achten und respektieren, sowohl die eigenen als auch die anderer. Mich selbst und andere wahrnehmen und annehmen. Vielfalt im christlichen Glaubensleben begrüßen und mitgestalten. Auch außerhalb der Gemeinde einstehen gegen Unterdrückung und Ausgrenzung.
Und es erinnert mich das an das Glaubensbekenntnis des UFMCC-Weltbunds:
„Wir glauben nicht alle dasselbe. Und doch finden wir inmitten unserer Vielfalt als Gemeinschaft zusammen; basierend auf der Liebe Gottes für alle Menschen.“ (https://insidemcc.org/about-mcc/what-we-believe/#mcc-statement-of-faith)
Vertiefung & Austausch:
- „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ (1.Korinther 16,14) Was macht diesen Satz für dich zu einer geistlichen Aussage statt zu einem Postkarten-Spruch an der Biomarkt-Kasse?
- Woran würdest du merken, dass eine Gemeinde „in Liebe“ handelt, ganz konkret?
Ist das überhaupt wichtig für dich?
Worauf achtest du, wenn du dir eine Gemeinde anguckst? - Was suchst/erhoffst du, in Gemeinde zu erleben?
Was kann dir Gemeinde geben, was dir ein Podcast, ein Spielenachmittag, ein Spaziergang oder ein Saunaabend nicht geben können?
Wie spiegelt sich darin dein Gottesbild wider? - Wie geht es dir mit der Vorstellung, dass es in einer Gemeinde Meinungsvielfalt gibt?
Hast du in Glaubenssachen selbst schon mal deine Meinung geändert?