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Palmsonntag: „Benehmt euch endlich normal“?

Andacht zur Fastenzeit 2015: Palmsonntag

LENTEN MEDITATION
for Palm Sunday
(22 March 2015)
by Rev. Ines-Paul Baumann

Sie brachten den jungen Esel zu Jesus, legten ihre Kleider auf das Tier und er setzte sich darauf. Und viele breiteten ihre Kleider auf der Straße aus; andere rissen auf den Feldern Zweige (von den Büschen) ab und streuten sie auf den Weg. Die Leute, die vor ihm hergingen und die ihm folgten, riefen: Hosanna in der Höhe!.

aus Markus 11, 1-11 Einheitsübersetzung

Was mag wohl ein wohlmeinender Firmenberater gesagt haben zu Jesus und seinem Esel?

„Jesus, das ich jetzt nicht wahr! Ein Esel! Soll das ein Scherz sein? Ein Esel. Nicht zu fassen. Wenn du dich so unseriös verhälst, musst du dich nicht wundern, wenn du nicht ernst genommen wirst!

Was sollte das denn werden? Deine eigene lustige „Jesus-Parade“? Glaubst du, dass so eine Prozession dabei hilft, eine ernst zu nehmende Religion zu gründen?

Ja, für die wenigen, die die Heiligen Schriften kenn, war es ein klares Zeichen… für eine reine Provokation! Ein König! Du präsentierst dich als kommenden König – während auf der anderen Seite der Stadt der WIRKLICHE Machthaber mit seiner Prozession einzieht, voller Zeichen für WIRKLICHE Macht. Sehr subversiv, Jesus, sehr subversiv.

Und für diejenigen, die die Heiligen Schriften nicht kennen, einfach lächerlich. Wie sollen sie darauf kommen, was du mit dem Esel aussagen möchtest? Wahre Inklusivität sieht anders aus..

Auf einem Esel reitend! Oooh, niemand muss Angst haben! ‚Seht doch, wie friedfertig ich bin. Ich bedrohe nichts und niemanden.‘ Richtig, aber hier geht es um ein bisschen mehr als um eine Selbsthilfegruppe, oder? ‚Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid‘, oder was? Netter Versuch, aber lange wird das nicht gutgehen, glaube mir. Um eine Kirche am Laufen zu halten, reicht das nicht.

OK, du warst jung und radikal. Ein paar Jahre später hättest du vielleicht anders gehandelt. Reifer. Taktisch geschickter. Erwachsener. Normaler.“

Manchmal sagen wohlmeinende Menschen ähnliche Dinge, wenn es um Schwule/Lesben/Transgender/Bisexuelle etc. geht. „Grenzt euch doch nicht selber aus. Werdet endlich mal erwachsen. Kommuniziert eure Anliegen auf seriöse Weise. Federboas sind ja eine Zeit lang ganz nett, aber irgendwann sollte manN da auch rauswachsen. Benehmt euch endlich normal.“

Manchmal sagen wohlmeinende Menschen ähnliche Dinge, wenn es um um die MCC geht. „Grenzt euch doch nicht selber aus. Werdet endlich mal erwachsen. Kommuniziert eure Anliegen auf seriöse Weise. Regenbogen-Stolas sind ja eine Zeit lang ganz nett, aber irgendwann sollte manN da auch rauswachsen. Benehmt euch endlich normal.“

Nun, da ist was dran. Mit Mitte Vierzig bin ich tatsächlich anders als in meinen Dreißigern. Dennoch habe ich meine Zweifel, ob Jesus wirklich eine andere Entscheidung in Sachen Esel getroffen hätte, wenn er zu diesem Zeitpunkt in seinen Vierzigern gewesen wäre.

Ich glaube, dass Jesus uns etwas mitteilen wollte, als er seine eigene Prozession gestartet hat (anstatt der Prozession des Römischen Reiches beizuwohnen, wo er sicher mehr wichtige Leute mit Macht und Einfluss getroffen hätte, die er für seine Vision hätte einspannen können).

Ich glaube, dass Jesus uns etwas mitteilen wollte, als er sich fü den Esel entschied (anstatt sich auf die bekannten Machtsymbole zu setzen, die ALLE verstanden und die sich als „brauchbar“ erwiesen hatten).

Ich denke, das sagt eine Menge darüber aus, wie Jesus als „König“ in Erscheinung treten wollte. Der Esel sagt tatsächlich etwas über die Symbole und die Bedeutung, die Jesus im Zusammenhang mit macht für angebracht hielt. Seine eigene Prozession sagt etwas über seinen Bezug zu Macht in seiner Welt.

Ich bezweifle, dass Jesus gewollte hätte, dass Christen andere zu Nachfolger/innen machen mithilfe von Unterdrückung und Druck (inkl. Gruppendruck, Gesundheit als Beweis für richtigen Glauben, Gemeindewachstums-Vergleiche, Zeugnis-“Wettbewerbe“, …).

Ich bezweifle, dass Jesus gewollte hätte, dass Christen Machtstrukturen wie die des Römsichen Reiches nutzen. (Was ist mit Geld, Traditionen, Strukturen, Ansehen, Öffentlichkeitsarbeit, Geschlechterrollen, …?)

Ich bezweifle, dass Jesus Glaubenden nahegelegt hätte, so „normal“ wie möglich zu erscheinen, um Gehör zu finden (oder gerettet zu sein!).

Ich erkenne bei Jesus keine Anzeichen dafür, dass er danach gestrebt hätte, möglichst „normal“ zu sein. Genau wo wenig hat er socleh Bestrebungen bekämpft. Jesus konnte gut mit der Elite und den Privilegierten seiner Zeit (die Evangelien zeigen ihn oft in der Gemeinschaft mit religiös Mächtigen, mit Systemangepassten, und mit reichen Frauen und Männern). Aber nicht etwa, weil er sich ihnen angepasst hätte und um ihre Aufmerksamkeit gebuhlt hätte. Jesus blieb seinen eigenen Maßstäben treu – was in unterschiedlichen Situationen mit unterschiedlichen Menschen unterschiedliche Dinge beinhaltete.

Damit der Leib Christi heutzutage genau so ganzheitlich handeln kann, ist DEIN spezieller Weg gefragt. Um die Tore der Rechtschaffenheit zu öffnen, brauchen wir hohe Absätze (Stonewall Riots!) UND Hohe Gerichte, genau so wie den Höchsten selbst.

Lasst uns als Leib Christi heute genau so humorvoll, entwaffnend und subversiv sein wie Jesus es war, als er sich für den Esel entschied.

Und lasst uns als Christen heute unsere Federboas, Anzüge und Stiefel (oder was auch immer du trägst) und Palmzweige genau so vor Jesus ausbreiten wie damals! Hosanna in der Höhe!

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