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Thomas Merton und sein Warten auf spirituelle Erneuerung und Erlösung: Ein ewig währender Advent der Menschwerdung

Predigt MCC Köln, 9. Dezember 2018
Madeleine Eisfeld

Markusevangelium 1,1-8 (Johannes der Täufer)

50. Todestag von Thomas Merton (amerikanischer Schriftsteller, Theologe und Mystiker)

Liebe Gemeinde.

Es ist Advent. Heute zünden wir die zweite Kerze an. Advent, das heißt Erwartung. Wir hoffen darauf, dass er kommt. Der Erwartete, der Erlöser, der Retter. Auch Johannes der Täufer tut es, Johannes, der letzte alttestamentliche Prophet. Mit ihm wird ein Kapitel der Religionsgeschichte abgeschlossen. Jesus, den er verkündet, wird es erfüllen. Der Beginn einer neuen Ära.
„Ich habe euch mit Wasser getauft.“, spricht Johannes, „der nach mir kommt, wird euch im Feuer des heiligen Geistes taufen.“ Der heilige Geist? Er ist eine SIE. Die heilige Ruach, Hagia Sophia, heilige Weisheit, die göttlich-weibliche Kraft. Jesus ist ihr Bote. Er will uns mit ihr vertraut machen. Ich werde euch in der Liebe der heiligen Ruach baden. Macht euch bereit! Seid wachsam! Bleibt stets in Erwartungshaltung. Das ist die Botschaft des Advent.

Ich möchte damit überleiten zum eigentlichen Thema der Predigt, in der es um ein konkretes Beispiel dafür geht, wie kraftvoll das Wirken der heiligen Geistin sein kann, wenn wir ihr die Möglichkeit geben, sich in unserem Bewusstsein zu entfalten, um uns zur radikalen Umkehr und zur Neuorientierung einzuladen. Morgen jährt sich zum 50. Male der Todestag eines Mannes, der zu den bedeutendsten Mystikern und Propheten des 20. Jahrhunderts zählt. Sein ganzes Leben war, wenn ich es einmal so bezeichnen will, ein ewig währender Advent.
Ein Warten auf die spirituelle Erneuerung und Erlösung.
Thomas Merton, begnadeter Schriftsteller und Theologe, Mystiker, weitsichtiger Prophet einer neuen Zeit, Friedensaktivist und Streiter für Bürgerrechte und soziale Gerechtigkeit,
Katholischer Priester, Mönch des Trappistenordens. und schließlich Einsiedler, Symbolfigur und geistiger Mentor der 68-ger Bewegung. Einer der wichtigsten Inspiratoren der Befreiungstheologie. Ohne ihn hätte es die wahrscheinlich gar nicht gegeben.

Für mich persönlich ist Thomas Merton einer meiner wichtigsten spirituellen Meister und Ideengeber. Es gibt noch andere, aber er ist einer der bedeutendsten. Ohne ihn stünde ich heute nicht hier. Ohne ihn keine Madeleine, keine Transitation, keine Romane, nichts. Wahrscheinlich verdanke ich ihm mein Leben, denn immer dann, wenn es mir besonders schlecht geht und die Depression wie ein großer schwarzer Vogel bedrohlich über meinem Kopf ihre Kreise zieht, dann nehme ich ein Buch von Thomas Merton zur Hand. Bücher, die ich schon ein Dutzend Mal las, die sich mir aber stets auf neue Weise offenbaren. Was dort geschrieben steht, das ist Balsam für die Seele, es aktiviert gleichsam die Selbstheilungskräfte und löst die lähmenden Krämpfe.
Ich kann jedem und jeder nur wärmstens die Lektüre von Thomas Merton ans Herz legen, allem voran seine Spätwerke.
Europa hat ihn fast vergessen; in seiner Heimat, den USA, genießt er hingegen noch immer Kultstatus, und das zu Recht.

Versuchen wir, uns ihm zu nähern.
Wir schreiben den 10. Dezember 1968. Thomas Merton befindet sich auf einer Vortragsreise in einem Buddhistischen Kloster in Bangkok/Thailand.
Am Vormittag hält er dort vor buddhistischen Mönchen einen Vortrag über den „Marxismus aus monastischer Sicht“. Es geht im wesentlichen darum, eine Möglichkeit zu finden, christliches, buddhistisches und marxistisches Denken in Einklang miteinander zu bringen.
Er ist schon lange zu der Überzeugung gelangt, dass Marxisten und Mönche aller Konfessionen und Religionen ähnliche Anliegen vertreten, und er möchte eine Theologie entwerfen diese Gegensätze miteinander zu versöhnen. Das sind wahrhaft revolutionäre Vorstellungen. Damit legt er einen wichtigen Grundstein für die moderne Befreiungstheologie. Seiner Zeit ist er um Jahrzehnte voraus, seiner Kirche möglicherweise sogar Jahrhunderte.
Nach dem Vortrag begibt er sich in den Bungalow, in dem er untergebracht ist; dort möchte er eine Weile ausruhen, bevor es am Nachmittag weitergeht. Es ist sehr heiß in Thailand und auch jener Raum ist von stickiger Hitze erfüllt. Thomas Merton hat einen Ventilator auf dem Zimmer. In dem Moment, als er den Stecker in die Steckdose stöpselt, kommt es zu einem Kurzschluss. Der Stromschlag ist so heftig, dass er Thomas Merton auf der Stelle tötet. So die offizielle Version der Umstände seines bis heute nicht aufgeklärten Todes. Sie wird von vielen angezweifelt.

Fakt ist, der bedeutendste christliche Mystiker des 20. Jahrhunderts stirbt einsam in einem buddhistischen Kloster in Thailand.
Ein bewegendes Leben voller Unruhe, voller Glaubenskrisen, Auseinandersetzungen, Brüchen und Neuorientierungen findet ein abruptes Ende.
Thomas Merton stirbt mit 53 Jahren, so alt wie ich im Augenblick bin.

Schon als Kind ist sein Leben von ständigen Veränderungen und Unruhe geprägt. Als er 6 Jahre ist, stirbt seine Mutter; seinen Vater, einen Kunstmaler, verliert er mit 11. Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder wächst er beim Großvater auf.
Im Detail auf seine Biographie einzugehen, würde jeden Rahmen sprengen, folglich konzentriere ich mich auf das Wesentliche.
Schon als Jugendlichen treibt es ihn in die Welt. Er reist, lernt viele Länder und Kulturen kennen, er studiert, er beginnt frühzeitig zu schreiben und entwickelt dabei ein außerordentliches Talent.
Er arbeitet für Zeitungen.
Er hat eine politisch linke Einstellung, die er sein Leben lang bewahren wird, eine Zeit lang ist er Mitglied der Kommunistischen Partei der USA.
All das befriedigt ihn nur kurzzeitig. Er wird zum spirituell Suchenden, auch das bis an sein Lebensende.
Schließlich entdeckt er die katholische Kirche. Da ist er Anfang zwanzig. Sie zieht ihn magisch an. Das ist seine Bestimmung, dort gehört er hin, so glaubt er zumindest. Mit 23 Jahren konvertiert er. Ich selbst tat es mit 25, aus ähnlichen Motiven.
Er stößt auf die Catholic-Worker-Bewegung um die charismatische Sozialarbeiterin Dorothee Day und beginnt in diesem Sinne zu wirken. Doch es genügt ihm nicht.
Ein einfacher Gläubiger, der sich engagiert, aber sein weltliches Leben fortsetzt, das ist seine Sache nicht. Er will mehr. Er ist der Meinung, seine tiefe Religiosität nur in einer Klostergemeinschaft leben zu können, so wie auch ich es lange glaubte.
Zunächst liebäugelt er mit den Franziskanern, doch die sind ihm nicht streng genug. Endlich wird er fündig. Es sind die Trappisten. Einer der strengsten katholischen Orden, die es gibt.
Nach einer Zeit der Vorbereitung tritt er in die Abtei Gethsemani im Bundesstaat Kentucky ein. Da ist er 27 Jahre. Die ersten Jahre verlaufen gut, sein Glaubenseifer ist ungebrochen. Das können wir anhand seiner Bücher, die er in jenen Jahren schrieb, erkennen. Die sind geprägt von unreifer Selbstgerechtigkeit und primitiver Sünden- und Sühnetheorien, ganz im Sinne der geistigen Autoritäten, denen er sich bedingungslos unterworfen hat. Ich habe einen speziellen Begriff dafür geprägt. Ich nenne diesen Zustand kitschig-katholisch. Auch ich durchlebte diese Phase, sie hielt mehrere Jahre.
Trotzdem sind die Bücher absolut lesenswert. Vor allem sein autobiografischer Roman „Der Berg der sieben Stufen“, ein Weltbestseller, millionenfach verkauft, er wird eine neue Generation junger aufmüpfiger Geister nachhaltig prägen.
Dann, im Lauf der Zeit, beginnt er sich zu entwickeln, in Richtung eines eigenständigen, fesselnden Stils und einer Theologie von lebendiger Frische. Er wird zum Mystiker und dringt in geistige Welten von gigantischer Weite und atemberaubender Tiefe vor.
Plötzlich fällt es wie Schuppen von seinen Augen. Er entdeckt einen Jesus, wie ihn die Kirche nicht verkündet. Den Jesus der Bergpredigt, Jesus den Heiler und Geschichtenerzähler, Jesus, den Freund der Armen, Ausgestoßenen und Randexistenzen, Jesus den Befreier der Frauen.
Sein sentimentales Weltbild, seine infantile Frömmigkeit beginnen zu bröckeln. Doch dadurch gerät er in Konflikte mit seinen geistigen Obrigkeiten. Die Zensur ist gnadenlos. Sie dulden kein eigenständiges Denken. Kreativität und Phantasie sind im dogmatischen Lehrgebäude der vorkonziliaren Kirche unerwünscht. Es beginnt ein Leidensweg. Thomas Merton ist ein Schmerzensmann. Seit seiner Kindheit zieht er schwere und schmerzhafte Krankheiten an wie ein Magnet die Eisenspäne. Das harte Leben im Kloster bekommt ihm gar nicht, vor allem dessen überaus strenger Kollektivismus. Er hat nicht einmal ein eigenes Zimmer, die Mönche sind in jener Zeit noch in Schlafsälen untergebracht, unterteilt nur durch dünne Holzwände. Es gibt keine Tür, nur einen Vorhang, keine Zentralheizung, die Ernährung spartanisch. Die Mönche dürfen nicht sprechen, müssen sich stattdessen einer komplizierten Zeichensprache bedienen. Nur viermal im Jahr ist ihnen erlaubt, Post zu empfangen. Die eigenen Briefe nach draußen werden kontrolliert.
Thomas Merton macht diese räumlich Enge zu schwer schaffen, er möchte lieber als Einsiedler leben. Die Vorgesetzten verweigern diesen Wunsch, es beginnt ein jahrelanger Kampf. Thomas Mertons Schriften werden immer kritischer, die Zensur gegen ihn immer drastischer. Trotzdem entwickelt sich seine Spiritualität immer deutlicher in eine ganz bestimmte Richtung.
Schließlich eröffnet sich ihm das Zentrum der heiligen Mysterien. Thomas Merton entdeckt die Weiblichkeit Gottes. Die heilige Ruach nimmt Wohnung in ihm. Liebe, unaussprechliche Liebe ist es, die ihn erfüllt. Gleichzeitig erfasst ihn tiefes Leid und Depression. Ich selbst kann ein Lied davon singen. Ich kenne diesen Zustand. Seit die heilige Ruach in mein Leben getreten ist, wurde auch mein Leben zum ständigen Auf und Ab.

Thomas Merton begegnet diesem Zustand, indem er anfängt, sich politisch und sozial zu engagieren. Gegen die atomare Aufrüstung, für die Bürgerrechte der Schwarzen in den USA, später dann, Anfang der Sechziger, gegen den Vietnamkrieg.
Er wird weltberühmt. Die Einnahmen aus seinem Buchverkauf spülen Millionen von Dollars in die Klosterkasse. Desweiteren melden sich junge Männer aus der ganzen Welt, um das harte Trappistenleben auf sich zu nehmen, nur um in der Nähe dieses großen spirituellen Meisters leben zu dürfen, der inzwischen als Novizenmeister in der Abtei tätig ist, also für die Ausbildung der Neuankömmlinge zuständig. Viele kommen aus dem Ausland, unter ihnen auch ein junger aufstrebender Geist aus Nicaragua, sein Name Ernesto Cardenal. Er wird Thomas Mertons bekanntester Schüler.
Doch geht die Bedrängnis weiter, ständig gibt es Konflikte mit dem Abt des Klosters, einem konservativen Hardliner. Ebenso mit der Glaubenskongregation in Rom, die seine Bücher zum Teil als gefährlich einstuft. Politisch gerät er aufgrund seiner Ansichten ins Fadenkreuz von CIA und FBI.
Sein gesundheitlicher Zustand verschlechtert sich weiter.
Doch dann, als er die Hoffnung längst aufgegeben hat, kommt die Wende. Eine neue Zeit bricht an. Die dumpfen, spießig-verklemmten 50er Jahre werden abgelöst durch die rebellischen 60er. Das ist seine Zeit. Aufbruch überall, auch in der Kirche. Das II. Vatikanische Konzil leitet einen nie gekannten geistigen Frühling in der katholischen Kirche ein. Auch vor Ort im Kloster gibt es positive Veränderungen. Der alte Abt stirbt, ein neuer wird gewählt, ein Sehender. Er ist Thomas Merton freundlich gesonnen und unterstützt ihn.
Endlich erhält der nun die Möglichkeit, sein Leben neu zu gestalten. Er darf seine Einsiedlerhütte beziehen. Ein kleines Refugium, etwa 2 km vom Konventsgebäude entfernt. Von dort aus nicht zu sehen, weil von einem dichten Wald umschlossen.
Inzwischen schreiben wir das Jahr 1965, so lange hat er kämpfen müssen. 1965, das Jahr, in dem ich geboren wurde.
Erfüllt von innerer und äußerer Ruhe vollendet Merton seine spirituelle Reife.
Er sucht und findet das Wort Gottes in der Natur. In Pflanzen und Tieren, im Wind und im Regen. Im Sonnenauf- und -untergang. Er taucht ab in das grüne Mysterium, das ihn umgibt.
Und er erkennt die alte aus der islamischen Sufi-Tradition stammende Weisheit neu, die da lautet:
„Alle heiligen Schriften sind wahr! Aber alle heiligen Schriften sind neben dem Buch der Natur wie ein Teich neben dem Ozean!“ Das heilige Buch der Natur ist die einzige Schrift, die den Leser/die Leserin wirklich erleuchten kann.

Und etwas anderes ganz Wichtiges geht ihm auf, nämlich dass die höchste geistige Entwicklung darin besteht, ganz „gewöhnlich“ zu werden, voll und ganz Mensch zu sein, schlicht und einfach sich selbst zu finden, wie das nur wenigen Menschen gelingt.
„Geh und finde dich selbst, dann kannst du auch mich finden“, so ruft ihm die heilige Weisheit zu. Es ist die Selbsterkenntnis, die zur Gotteserkenntnis erblüht. Das Bekenntnis zum inneren Selbst ist die Voraussetzung für Erlösung und Erleuchtung.
In der letzten Lebensphase, die nun für ihn beginnt, entstehen seine besten Bücher, erfüllt von einem universell geladenen Geist.
Der ewige Advent seines Lebens nähert sich seiner Erfüllung. Bald kann er die letzte Tür im Kalender öffnen.
Advent, das heißt Menschwerdung. Wir sind dazu aufgefordert, wahrhaft Mensch zu werden, indem wir das göttliche, also die heilige Geistin, in uns wachsen lassen. Jesus lebt es uns vor.

Doch auch das Leid schlägt wieder zu. Kaum hat er seine Eremitage bezogen, muss er sich in ein Krankenhaus begeben, um sich einer Bandscheibenoperation zu unterziehen. Er leidet große Schmerzen, fühlt sich einsam und alleingelassen in seiner großen Not. Die heilige Geistin erhört sein Flehen und schickt ihm einen Engel.
Eine junge Krankenschwester bemüht sich voller Hingabe um ihn, sitzt lange an seinem Lager, hält ihm die Hand, streichelt ihn, spendet Trost und Zuversicht. Die beiden kommen sich näher, immer näher und schließlich verlieben sie sich ineinander.
Thomas Merton wird ihr dutzende von Liebesgedichten widmen. Die schönsten Liebesbekundungen, die ich je gelesen habe. Die junge Frau ist 26 Jahre alt, Thomas Merton zu diesem Zeitpunkt 51. In seinen Schriften pflegt er sie immer nur als „Frau M“ oder einfach nur „M“ zu bezeichnen. Ich nenne sie der Einfachheit halber Mary. Natürlich, er muss sie und sich schützen. Schließlich ist das, was sie tun, eine Todsünde. Er ist katholischer Priester und Ordensmann, sie Angestellte eines katholischen Krankenhauses. Zu seinen körperlichen Schmerzen, zu seinen Glaubenskrisen und Auseinandersetzungen gesellt sich nun auch noch Liebeskummer.
Was soll er tun? Nach langen Jahren des Kampfes hat er in seiner Einsiedelei endlich gefunden, wonach er sich so lange sehnte. Ruhe, Raum, innere Einkehr und tiefen Frieden. Doch er kann Mary nicht vergessen
Der Kelch des Leides ist randvoll. Doch aus Leid wird auch Kreativität geboren. Liebe und Leid bestimmen seine Schriften. Beide Aspekte sind Teile ein und derselben Medaille. Nur aus beiden zusammen wird wahres Leben geboren.
Eine Entscheidung treffen? Thomas Merton ist dazu nicht imstande.
Aber Mary tut es. Sie ergreift die Initiative. Sie fährt zu ihm. Kämpft sich durch die Wildnis und dringt heimlich auf das Klostergelände vor. Dann klopft sie bei ihm an. Wir können uns sicher vorstellen, welche Augen Thomas Merton gemacht hat, als der Mensch, den er aus tiefsten Herzen liebt, plötzlich vor der Türe steht. Freude, unaussprechliche Freude. Der Advent ist erfüllt, jetzt wird es Weihnachten in seinem Leben. Doch mit der Freude kommt die Angst. Angst entdeckt zu werden. Wenn das herauskommt, gibt es einen Riesenskandal.
Er hört schon, wie die Ankläger ihre Messer wetzen. Die uralte Platte wird aufgelegt. Die Frau als Verführerin des braven, allzeit keuschen und gehorsamen Ordensmannes. Diese geifernden, selbsternannten Moralapostel und ihre widernatürliche Hetze gegen alles Weibliche.
Die beiden gehen ein hohes Risiko ein. Thomas Merton lebt nicht auf einer Insel, er wird von vielen aufgesucht, aus dem Kloster, aus der ganzen Welt. Sie kommen, um ihn um Rat zu bitten. Ihn, der plötzlich selbst zutiefst ratlos im Leben steht.
Thomas Merton ist nicht stark, er wird sein Keuschheitsgelübte brechen, und in dieser Schwäche beweist er Stärke. Ich kann den beiden nur gratulieren. Ihr habt recht gehandelt.
Gott, Jesus, die heilige Ruach, sie verurteilen euch nicht, denn die göttliche Liebe schließt Eros und Sexualität nicht aus, sondern ein. Wir alle sind Produkte der Lust/Sexualität. Sie ist das Werkzeug, mit dem Gott uns zu seinen Kindern macht. Jede Sexualität, die freiwillig zwischen zwei erwachsenen Menschen praktiziert wird, ist heilig.
Doch Thomas Merton wird weiter darunter leiden. Vor allem, weil er sich nicht entscheiden kann und will. Auf der einen Seite lebt er gerne als Einsiedler. Der Ordenshabit scheint wie maßgeschneidert. Das ist sein Leben seit über 25 Jahren. Er kann nicht einfach hinschmeißen und neu anfangen. Er brauchte sich bisher um nichts zu kümmern, ist es gewohnt, dass das Kloster alles für ihn regelt. Wovon sollte er leben? Persönlich ist er bettelarm. Die Rechte über all seine schriftlichen Werke hat nicht er, sondern das Kloster. Doch andererseits kann er Mary nicht vergessen. Sie ist und bleibt sein Engel. Er stellt ein Licht ins Fenster seiner Eremitage, so wie wir es im Advent tun, wenn wir unseren persönlichen Engel erwarten.

Nicht wenige gehen davon aus, dass es Thomas Merton am Ende nicht mehr ausgehalten hat, dass er sich umgebracht hat und die Geschichte mit dem elektrischen Schlag nur im Nachhinein erfunden wurde, um einen Skandal zu vermeiden. Alles Spekulation.

Was können wir Menschen von heute aus all dem lernen?

Die Menschwerdung Gottes geschieht in uns allen.
Werdet wahre Menschen! Lasst euch von der Gesellschaft nicht zu Tieren herabwürdigen.
Euer Leben sei ein Advent, ein stetes Suchen nach eurem inneren Selbst, an dessen Ziel ein großes Weihnachten, ein Fest der Versöhnung mit euch und mit all euren Nächsten steht.
Verschwendet die Zeit des Advent nicht für permanenten Geschenkekauf.
Bereitet euch vielmehr darauf vor, euch selbst zu verschenken, so wie ihr euch auch reichlich von anderen beschenken lassen dürft.
Findet die Botschaft Jesu in eurem Alltag, bei euren Mitmenschen, bei allem, was ihr tut. Vergesst den von den Kirchen konstruierten Jesus, der macht euch nicht wirklich frei. Freiheit findet ihr nur, wenn ihr euch immer wieder eigenständig auf die Suche nach eurem Jesus begebt.
Die Bücher von Thomas Merton können dabei eine wichtige Hilfe sein.

Madeleine

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