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Nicht Markt, Bewertung, Konkurrenz, Mangel, sondern Gott in seiner befreienden Einfachheit

Predigt MCC Köln, 30. Juni 2019
Manfred Koschnick

Jesaja 55,1-5

Einleitung der Bibellesung

Der optimistische Bibeltext am heutigen Sonntag hat in seiner möglichen Wirkung auch eine geheime, düstere, lebensfeindliche Seite. Ich bin Ines-Paul wirklich sehr dankbar für seinen Mut, mich zu bitten, auch diese depressive Seite demnächst einmal in einer Predigt zur Sprache zu bringen! Nun aber kommt heute der lebenshungrige Aspekt der Perikope für den heutigen sonnigen Sonntag zur Sprache!

Bibellesung: Jesaja 55,1-5

Predigt

Geliebte Gemeinde! Ich kann nicht wissen, ob ein Gott existiert – es nur glauben. Gibt es einen und ist es Jesajas Gott, ist er ein guter Gott; seine Liebe und Zuwendung durch sein Wort sind gratis. Das ist die Botschaft meiner heutigen Predigt! Jesajas Gott, er ist ein guter Gott; seine Liebe ist gratis!

Stellt Euch einen Markt in der antiken Welt vor ca. 700 vor Christus! Den Leuten geht es finanziell gut, einigen sogar unverschämt gut, ähnlich wie heute. Sie widersetzen sich Gottes Forderung nach Gerechtigkeit, denn Geld regierte die Welt! Gottes Gebote sind ihnen die von gestern. Nicht Gottes, sondern die Gesetze des Marktes regieren im Volk. Die Armen haben darunter zu leiden. Ist Gott noch mit ihnen…? Und über allem droht der gespaltenen und zerbröselnden Gesellschaft die kulturelle und militärische Herrschaft der Assyrer aus der heutigen Türkei.

Viel billiger Weihrauch aus Saba übertönt den Gestank der Straße und auch die Wohlgerüche des Marktes – wie ein modernes Raumspray. Es ist laut. Es wird gefeilscht.
In einer Gruppe von Israeliten ruft ein Priester des Adonai: „ Auf, alle Durstigen, kommt zum Wasser! Die ihr kein Geld habt, kommt, kauft Getreide und esst, kommt und kauft ohne Geld und ohne Bezahlung Wein und Milch!“ …Ach – Ich kenne diese Sprüche vom Telefon „Herzlichen Glückwunsch! Sie haben gewonnen. Ja, Sie! …wenn Sie unser Gratisangebot nutzen…usw.“ Fast wäre ich an dem Mann vorbeigelaufen. Ich kannte diese Art, zunächst einmal Aufmerksamkeit zu erzeugen.

Doch dann fragte dieser Prophet aus der Priesterschaft des Adonai: „Warum bezahlt ihr mit Geld das, was euch nicht nährt? Und mit dem Lohn eurer Mühen, was euch nicht satt macht? Hört auf mich, dann bekommt ihr das Beste und könnt euch laben wie an fetten Speisen!“ Ich ging nun näher heran an den Mann, wurde neugierig. Einer der jüdischen Zuhörer verriet mir den Namen des Predigers. Jesaja wurde er genannt, das heißt „Gott hilft in der Not“.

Jesaja zeigte auf dem Markt nicht Proben irgendwelcher erlesener Früchte und teurer Opferspeisen oder Bronze aus Zypern. Er forderte nicht auf, zuzugreifen. Er sagte, die Leute sollten ihr Ohr zu ihm neigen, denn die Speise, die er anbot, waren Worte – nicht zum Essen, sondern zum Hören, Fühlen und Nachdenken. Es war Nahrung für den Geist, ganzheitlich für den ganzen Menschen. All die Lebenshungrigen, Wissensdurstigen, Abenteuersuchenden, Sünder, Sehnsüchtigen, die sich sehnten nach Liebe und allem, was die Seele satt und gesund macht, sollten hinhören. Die Botschaft Gottes könne ausstrahlen in alle Lebensbereiche. Es sollte sie keine Silbermünze und keine selbstentfremdende, schweißtreibende Arbeit kosten. Jesaja verteilte Geschenke seines Gottes (die nichtmateriellen Geschenke könnten vielleicht sein: Zeit, Gerechtigkeit, Selbstwahrnehmung, entspannte Aufmerksamkeit, tief berührende Begegnungen, Selbsterkenntnis, Gesundheit, weniger Antidepressiva oder Alkohol oder ausbeuterischen Konsum, Frieden, sinnvoll für sich und andere zu sein). Jedenfalls entsteht all das manchmal , wenn Menschen entschieden Gottes Wort und seine Gebote beherzigen. Und Adonai (später Jahwe genannt) würde dereinst sogar Heiden und fremde Nationen beschenken mit seinem Wort. Darauf hätten Menschen sein verbindliches, verbündendes Wort, sein Versprechen.

Der liebevolle Gedanke Gottes ist ein neuer Vertrag bzw. Bund. Seine Ruach soll in einem Nachfahren Davids Fleisch werden, Hoffnung sein, also sich dereinst in einem Menschen materiell verdichten, erklären und Gottes Versprechen einlösen. Manchmal nannte Jesaja diesen Messias „Immanuel“. Der Name Immanuel bedeutet „Gott ist mit uns“. Von dieser Hoffnung sollten die Menschen leben! …und genau diese Hoffnung und diese Buße könnten auch vor dem Sieg der Assyrer schützen. Diese Hoffnung sollte sie zur Umkehr treiben! Diese Hoffnung sollte sie satt machen – alle, die hungerten nach einer überzeugenden Ausrichtung im eigenen Leben, nach einem möglichen Sinn dessen, was war, was ist und was wird, nach Gottes Geboten, seiner Gerechtigkeit und seinem Frieden! Du wirst nicht stehlen, nicht morden, nicht ehebrechen, usw.

Mit dieser Hoffnung nehmen wir heutigen Christinnen und Christen beim Abendmahl das „Brot des Lebens“ und nehmen den „Kelch des Heils“. Christus selbst ist die aus Gott gewirkte geistige Nahrung – das Wort wurde „Fleisch“, wie Luther es übersetzte. Matthäus schrieb in Kapitel 26, Vers 26f: „Während des Mahls nahm Jesus das Brot und sprach den Lobpreis; dann brach er das Brot, reichte es den Jüngern und sagte: Nehmt und esst; das ist mein Leib.“ Seine körperliche Realität sollte in eine geistige Realität verwandelt werden, gewissermaßen ein Ostern und Pfingsten vor der Kreuzigung. – Wie kann ich den liebevollen Gedanken Gottes auch in meinen Alltag aufnehmen zu seinem Gedächtnis? Ich z.B. sage mir seit dem Pfingstgottesdienst 2019 in der MCC fast jeden Tag diese Affirmation: „Ich öffne mich täglich mehr… dem Heiligen Geist!“ Ich meine, diese Übung wirkt schon…? – nur nicht bei dieser heutigen Hitze.

Ohne einen Funken Hoffnung gibt es oft keine Rettung. Ohne Hoffnung gibt der Mensch sich und den Glauben an Gott auf. Darum (so glaube ich) macht Jesaja gegen Angst und Frust eine Rechnung auf, bei der Menschen mit Adonai niederschwellig ohne großen riskanten Einsatz auf jeden Fall einen Gewinn machen werden – eine Hoffnung erleben können, weil es Adonais Gaben/Geschenke gratis, umsonst gibt. „Neigt Euer Ohr zu mir!“ Hoffnung und Veränderung könnten sich doch lohnen… „Wir wären ja blöd, wenn wir die Hoffnung, das kostenlose Angebot Gottes, nicht nützen würden“, sagte vielleicht eine Zuhörerin des Propheten.

Jesus von Nazareth, ein radikaler Bußprediger 700 Jahre später, der glaubte, die Welt würde noch zu Lebzeiten seiner Zuhörer untergehen, befiehlt Seinen Jüngern in der Bergpredigt polemisch, sie sollen sich das Auge ausreißen und die Hand abhacken…, sollten diese Körperteile ihnen ein Anstoß zur Sünde sein (Matthäus 5:29-30). Klingt das fromm? Dies sind wohl die geschichtlich authentischsten Worte Jesu des neuen Testaments, meinen Historiker und historisch kritische Theologen. Und heute? Greta Thunberg, die weltbekannte nichtreligiöse Bußpredigerin sagt polemisch: „Ich brauche nicht Eure Hoffnung, sondern Eure Panik!“ Also meine Panik hat sie! Während der Hitze der letzten Tage hatte ich starke Krämpfe, zunächst ausgehend von den Händen, als wollten sich die Finger einer Hand gegen meinen Willen ineinander verknoten – dann überall , dazu einen Blutdruck von 90 zu 60 und zeitweise einen Blutzuckerwert von 40. …Gott hingegen sagt durch Jesaja ganz ohne Polemik dem Sinn nach: „Ich brauche nicht Eure Panik. Ich brauche Eure Hoffnung und Euer Vertrauen!“ Immanuel. Gott ist mit uns, auch wenn wir z. b. der natürlichen Strafe für den selbstverschuldeten Klimawandel oder z. b. den Folgen des selbstgemachten und selbst zu verantwortenden Geburtenrückgangs durch moderne Verhütungsmethoden in Deutschland nicht entgehen werden. Die Missachtung göttlicher Gebote hat nun mal ernsthafte Konsequenzen, manchmal bis in die 3., 4. oder 7. Generation (2. Mose 34, V6+7)

Auch unter den coolsten, selbstbewusstesten Typen, den schlitzohrigsten, selbstgerechtesten, dreistesten (Brecht würde sagen: den schlimmsten Hurentreibern) gibt es solche, die inwendig doch fürchten, Gottes Rettung oder Hilfe nicht verdient zu haben. Sie haben letztlich kein Vertrauen. (Die Skrupel ehren sie.) Sie denken, „Ich bin nicht berechtigt, Gott zu bitten. Wenn ich mich in meinem Leben so wenig dafür eingesetzt habe, dass Gottes Wille, Gottes Reich in meinem Herzen und meinem Verstand regiert, warum sollte Christus dann im Gegenzug etwas für mich tun?! Geben und Nehmen muss doch stets ausgeglichen sein!“ Sie haben recht, aber in der Veranschaulichung der frohen Botschaft durch Matthäus in Vers 28 sagte Jesus: „Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“ – Das Wort ward Mensch – und symbolisch Brot & Wein. Liebes Schlitzohr, wenn Du im Abendmahl tatsächlich die Zuflucht bei Jesus Christus nimmst, kommst Du unschuldig und schuldenfrei zu Gott! – Von hier her kommt also die unverzichtbare Hoffnung, der fundamentale christliche Neuanfang, die große Veränderung im Leben, genauer des Lebens auch selbst der dreistesten schlitzohrigsten ungehorsamen Menschen.

Es gibt dann aber auch solche Menschen, die sind durch die Kirche so traumatisiert worden und von Religion so verängstigt, beschämt oder endtäuscht worden, dass sie Gott eher außerhalb einer Religion finden können. Gott helfe ihnen und uns den Weg (zu ihm) zu finden.

Nach dem Abendmahl will ich gemeinsam mit Euch auf den Konsum überhöhenden religiösen Zaubers der Lieder und Liturgie verzichten, um Raum zu schaffen für Menschen in ihrem schlichten Sein. Du musst nichts effizient leisten, nichts Besonderes haben, nichts besonderes sein, auch nicht glücklicher sein als andere. All das Wesentliche, dahinterliegend Satanische, was die Menschheit und alle Natur durch die Missachtung göttlicher Gesetze in die Katastrophe treibt, darf hier und jetzt bis zum Ende des Gottesdienstes ruhen. Eine Entspannungsmusik soll Dir helfen, diese Gnade auszuhalten. Es sollen nun einmal nicht die Gebote des Marktes, der Bewertung, der Konkurrenz, des Mangels gelten, sondern Gott in seiner befreienden Einfachheit.

Auf die Frage, was wir nun tun müssen, um ein Gerechter zu werden, antwortet Gott: „Sei!“

Danach verabschieden wir einander mit dem Friedensgruß als Segen wie bei den Jüngern Jesu, bevor das katholische Priestertum entstand und die Segnung an das Amt gebunden wurde.

Wohlan denn Liturg, walte Deines Amtes :) !

Music: https://www.youtube.com/watch?v=dE_XVl7fwBQ

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