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Welchen Ängsten soll ich glauben, welchen nicht? (Eine Art „geleitete Lectio Divina“)

Predigt MCC Köln, 11. September 2016
Ines-Paul Baumann

2. Timotheus 1,7-10

Da sitzt einer gefangen in Ketten – und sieht sich selbst als „befreit“ und „erlöst“.

Verschiebt sich hier die Befreiung vom Diesseits ins Jenseits? Die – ganz diesseitige – Befreiung aus der Sklaverei ist ja eigentlich Vorbild für den Begriff der „Erlösung“. Dieser Gefangene sagt aber nicht: „Meine Rettung NAHT“, sondern sagt: „Wir SIND gerettet.“ Nicht irgendwann, dann, im Jenseits – sondern jetzt, hier, im Diesseits.

Er verweigert dem Blick der Machthabenden jegliche Macht über seine Selbstwahrnehmung. „Ihr habt keine Macht über mich (vielleicht über meine äußeren Bedingungen, aber nicht über mein Leben, meine Rechte, meine Werte, meine Anliegen). Das Römische Reich kann mich nicht retten und SOLL mich nicht retten, ich baue nicht auf diesen Staat und dieses Wirtschaftssystem und seine Versprechen! Ich habe keine Angst mehr vor euch; ja nicht mal mehr vor dem Tod.“

Nun sind Menschen ohne Angst schwer zu kontrollieren. Das erleben wir nicht nur bei Selbstmord-Attentätern. Am heutigen Jahrestag der einstürzenden World-Trade-Center-Türme in New York City 2001 ist der Wandel offenbar: Sicherheit geht vielen über Freiheiten. Ängste beherrschen politische und wirtschaftliche Themen – materielle Ängste (Angst vor Terror, Altersarmut, Arbeitslosigkeit, …) genao so wie Identitäts-Ängste („Wer sind wir als Deutsche, als Männer, als Frauen, …“ – die AfD zehrt davon).

Aber auch im Arbeitsleben und in Kirchen sind Menschen mit Angst oft gar nicht so unpraktisch.

Um so wichtiger ist diese Erinnerung: „Gott hat uns nicht gegeben einen Geist der Furcht“. Anders betont: „GOTT ist es nicht, der uns den Geist der Furcht gegeben hat.“

Furcht mag vielleicht da sein, sie ist aber NICHT von Gott! Die Furcht ist nicht das, was GOTT will, was GOTT uns einimpft – und was Kirchen verbreiten sollten.

In einer Art „geleiteten Lectio Divina“ seid ihr eingeladen, dem nachzuspüren. Nimm dir Zeit. Spür den Fragen nach. Spür den Zitaten aus dem Predigttext nach. Sieh sie als eine Art Klöppel in einer Glocke: Du spürst selbst am besten, was in dir in Schwingung gerät.

Blick auf mich selbst

Andere sehen einen Gefangenen. Der Schreibende sieht sich als Geretteten, Befreiten, Erlösten. Als einen, den Gott selig gemacht hat – nicht erst irgendwann, nach dem Tod, oder wenn das Leben besser wird, sondern schon jetzt.

  • Wer bin ich? Wie sehe ich mich?
    DARUM SCHÄME DICH NICHT
  • Übernehme ich den Blick anderer auf mich?
    DENN GOTT HAT UNS NICHT GEGEBEN DEN GEIST DER FURCHT
  • Inwieweit messe ich mich an meinen äußeren Umständen?
    GOTT HAT UNS SELIG GEMACHT
  • Wovon hängt meine eigene Wertschätzung für mich selbst ab?
    GOTT HAT DICH BERUFEN.

Blick auf meine Mitmenschen (und ihre Blicke auf mich)

Die anderen wollen ihn einsperren, ruhigstellen, mundtot machen, zerbrechen, aus dem Verkehr ziehen, anpassen, umbiegen, zurechtrücken – und was macht er? Besinnt sich um so mehr darauf, wer er ist, wofür er einsteht, und was andere von ihm mitbekommmen sollen.

  • Was machen Einschüchterungsversuche mit mir? Habe ich Angst vor der Meinung anderer?
    DENN GOTT HAT UNS NICHT GEGEBEN DEN GEIST DER FURCHT
  • Lasse ich dann ab von dem, wer ich wirklich bin und wovon ich überzeugt bin?
    GOTT HAT DICH BERUFEN MIT EINEM HEILIGEN RUF
  • Stehe ich trotzdem zu mir, zu meiner Lebensweise, zu meinem Äußeren, zu meinem Körper, zu meinem Glauben?
    DARUM SCHÄME DICH NICHT
  • Von wem erwarte ich die Erfüllung meiner Bedürfnisse und Anliegen? Wer soll mich lieben, wertschätzen, glücklich machen, unterstützen, loben, anerkennen? Inwieweit verbindet mich das mit anderen auf eine gute Weise, wo wird es schräg oder gar ungesund?
    GOTT HAT UNS SELIG GEMACHT

Blick auf Gott (und mein Blick auf Gottes Blick auf mich)

Der Schreiber ist in einer Situation, in der es ihm als Glaubendem nicht BESSER geht im Leben, sondern er in Konflikte gerät mit den wirkmächtigen Werten und Strukturen seiner Zeit. Sein Glauben macht ihn nicht erfolgreicher oder gesünder oder beliebter; im Gegenteil: Er landet im Gefängnis, er leidet. Wie geht es ihm inmitten seines Leidens mit seinem Glauben?

  • Glaube ich, dass Gott mich liebt und wertschätzt, auch wenn es äußerlich gesehen richtig eng wird?
    Messe ich Gott an den Umständen, in denen ich bin – oder messe ich meine Umstände an den Verheißungen und der kraft Gottes?
    Zu was bewegt mich das – wo werde ich aktiv? Wo mache ich NICHT mit? Welche Werte und Verhaltensweisen mache ich mir NICHT zu eigen, auch wenn es zu meinem Nachteil gereicht?
    GEIST DER KRAFT UND DER LIEBE UND DER BESONNENHEIT
  • Glaube ich, dass Gott mich kleinmachen will? Muss ich mich klein machen und Gott groß machen?
    GOTT HAT UNS NICHT GEGEBEN DEN GEIST DER FURCHT
  • Wenn es mir schlecht geht, sind das verdiente Strafen Gottes? Gipfelnd im Tod, der verdienten Strafe? Für wann erwarte ich meine Seligkeit und Rettung: NACH dem Tod, weil ich so noch zu unvollkommen bin? Irgendwann, wenn die Welt eine bessere ist?
    CHRISTUS JESUS HAT DEM TOD DIE MACHT GENOMMEN.
    GOTT HAT UNS SELIG GEMACHT.
  • Bin ich gläubig geworden, weil mir verkündet wurde, dass es mir dann besser geht? Bin ich selber schuld, wenn ich immer noch leide – müsste ich einfach mehr glauben? Brauche ich „Erfolge“ Gottes in meinem Leben, auf die ich verweise, damit Gottes Wirken „glaubhaft“ ist? Glaube ich, ich kann nur dann glaubhaft und überzeugend für Gott einstehen, wenn bei mir selbst alles in Ordnung ist?
    NICHT NACH UNSEREN WERKEN

 

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