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Liebestaumel

Predigtimpuls (Zwiegespräch): Gastpredigerinnen Gabriele Schüler und Anne Klemm aus Hamburg
3. September 2023

1. Johannesbrief 4,7-12

Anne:
Da wird man schon ganz schön erschlagen von der vielen „Liebe“, wenn man diesen Text liest, oder?

Gabi:
Ich habe mal nachgezählt. Es sind 6 Verse und darin kommt 15 mal in Varianten der Begriff „Liebe“ vor. Das wirkt irgendwie inflationär. Weißt Du etwas über die Entstehungsgeschichte des Textes?

Anne:
Ich habe mal versucht, dazu etwas zu finden. Dabei habe ich gelesen, dass der Text Ende des 1. Jahrhunderts entstanden ist und dass der Verfasser sich damit auseinandergesetzt hat, dass es in seiner Gemeinde unterschiedliche Glaubensauffassungen gegeben hat, die sich kontrovers bis feindselig gegenüberstanden. Der Appell an die Liebe untereinander soll die Gemeinde vor falschen Propheten warnen und sie im wahren Glauben an Jesus zusammenhalten. Ehrlich gesagt, habe ich aber gemerkt, dass mir zu diesen hoch-theologischen Details die Grundlagen fehlen und es hat mir bei dem Verständnis des Textes nicht wirklich geholfen.

Gabi:
Tja…dann müssen wir wohl selbst denken. Was machst du den jetzt aus diesem dicken Liebes-Quast, der uns da um die Ohren fliegt?

Anne:
Naja… Du nun wieder…kann man denn von Liebe zuviel bekommen? Das ist doch etwas Super–Schönes.

Gabi:
Ja. Soooo schön, dass alle dazu „ja“ sagen. Muss ich denn wirklich zu etwas aufrufen – in diesem Fall zur Liebe – , zu dem alle sowieso nur nicken? Ist das nicht so, als wenn ich Dir sagen würde: „Anne, Du musst jetzt aber wirklich atmen.“ Das würdest Du doch sicher auch tun, wenn ich Dich nicht dazu ermahne.

Anne:
Ja, wenn es denn immer so einfach wäre mit der Liebe. Was ist denn mit den ganzen Halunken? Was ist denn mit der Familie, die nicht hinter mir steht? Mit den Freunden, die mich hängen lassen? Mit denjenigen, die im Namen Gottes oder ihres Glaubens, anderen Leid zufügen? Soll ich die auch lieben? Wie geht denn das?

Gabi:
Ja, ich glaube, da stellst Du genau die Fragen, die uns an den Text bringen. Genau das sind die Schmerzpunkte, wo die Liebe eben nicht so selbstverständlich ist und so einfach funktioniert, wie das Atmen. Ich habe dafür auch kein Rezept. Wenn ich Deine Beispiele auf mein Leben anwende, dann spüre ich dabei auch keine Liebe – offen gestanden eher das Gegenteil.

Anne:
Aha, da haben wir es also! Das sind die Situationen, Geschehnisse, Menschen…bei denen wir Gefahr laufen, dass uns die Liebe abhandenkommt und wir damit von Gott wegdriften.

Gabi:
Genau. Und wenn ich mir vorstelle, wie regelmäßig und wie häufig diese „Halunken-Begegnungen“ in meinem Leben stattfinden, dann muss ich auf mich und meine Gedanken und Gefühle aufpassen.

Anne:
Ja, da sollten wir auf uns – jeder von uns auf sich, aber wir auch gegenseitig – aufeinander aufpassen. Und wie wir das machen, quasi als praktische Handreichung, daran erinnert uns der Text. Wir sind nur Menschen. Mit allen Unzulänglichkeiten und Schwächen. Manchmal und oft mit bösen Gedanken und Gefühlen. Aber auch mit der Fähigkeit und dem Bedürfnis zu Lieben. Wenn wir uns daran in unseren Tiefen und Abgründen erinnern, dann hilft uns das, nicht ganz abzurutschen und uns nicht darin zu verlieren. Wir gehen wir auf Gott zu und Gott auf uns.

Gabi:
Ja, aber geht das denn überhaupt? Können wir denn die Kurve zur Liebe hinbekommen, wenn wir durch unsere negativen und bösen Gedanken und Gefühle gar nicht mit uns im Reinen sind?

Anne:
Die Antwort darauf steht doch auch im Text. Gott hat uns zuerst geliebt. Und zwar so sehr, dass er in Jesus Mensch geworden und für uns am Kreuz gestorben ist. Das symbolisiert Gottes Vergebung für uns und unsere Sünden. Gott sieht unsere Unvollkommenheit und liebt uns trotzdem. Wenn Gott sich mit uns versöhnt, dann können auch wir mit uns ins Reine kommen. Das ist der Punkt zur Umkehr. Zum Leben, zum Lieben und zu Gott.

Amen

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