Zum Inhalt springen
Home | Gegen Macht statt Gegenmacht

Gegen Macht statt Gegenmacht

Predigt MCC Köln, 11. Jan. 2015
Ines-Paul Baumann

Mt 3,1-2.3-17 Die Taufe Jesu

Ein paar Gedankensplitter statt Bombensplitter.

„Religiöse“ Menschen (auch aus „dem“ Christentum) werden manchmal eingestuft wie manche Mechanismen, die in und nach den Terroranschlägen in Frankreich deutlich wurden: Sie wissen, wer „auf der richtigen Seite“ steht (und wer nicht). Sie wissen, wer „dazu gehört“ (und wer nicht). Sie wissen, was „wahr“ ist (und was nicht). Sie wissen, wie alle zu leben haben (und wie nicht).

Worum geht es in den aktuellen Debatten? Nach den Mordanschlägen auf die Satire-Zeitung „Charlie Hebdo“ und einen jüdischen Supermarkt in Frankreich sieht sich manch eine/r bestätigt in der Sorge, dass „das Abendland mal wieder von Fremden bedroht ist“. Nicht nur Pegida tut kund, dass Anhänger „anderer“ Religionen und Kulturen alle gleich (und alle bedrohlich) seien. Marie Le-Pen denkt laut darüber nach, in Frankreich wieder die Todesstrafe einzuführen. Die Feindbilder sind altbekannt und neu verzerrt: Kommunismus, Judentum, Islam.

Die Reaktion auf diese „Bedrohung“ ist dem, was als bedrohlich beschrieben wird, oft gar nicht so fern: „Beide teilen ein zutiefst reaktionäres Weltbild, das Menschen nach (realer oder zugeschriebener) Zugehörigkeit zu einer Kultur oder Religion unterscheidet und auf – oder abwertet. Beide teilen eine Vernichtungsideologie, die all diejenigen ausschalten will, die nicht in ihr menschenverachtendes Weltbild passen. Und beide haben ein Interesse an einer Ethnisierung und Kulturalisierung sozialer Konflikte und treiben damit deren Eskalation gezielt voran.“ (aus dem Demo-Aufruf „Gemeinsam gegen Terror, Gemeinsam gegen Rassismus“)

„So und nicht anders.“ Auch manche Christen werden so wahrgenommen.

Manche Menschen erleben Kirchen immer noch als diejenigen, die definieren,

  • wer dazugehört,
  • was zu glauben ist,
  • wie zu handeln ist.

Taufe wird darin Teil von einem

  • Machtsystem (bis heute gilt Taufe als „Zugangsnachweis“ in das Reich der Kirche und des Himmels),
  • Wahrheitssystem (die Getauften bekommen „die richtige Wahrheit“ gelehrt),
  • Moralsystem (die Getauften und ihr Lebensstil stehen für die „wahre Nachfolge“ Jesu).

Nur…:

  • Jesus hat seine Jünger NICHT VORHER getauft, bevor er sie mit AUF DEN WEG genommen hat.
  • Jesus hat die Menschen unterschiedliches gelehrt. Die einen das, die anderen jenes. Wie sie es gerade gewollt und gebraucht haben.
  • Jesus hat unterschiedliche „Frömmigkeitsstile“ praktiziert und unterschiedliche Lebensstile unterstützt.

Jesus hat die Jünger nicht getauft (und zu einer Norm berufen).
Jesus hat die Jünger bei ihrem Namen gerufen (und zur Vielfalt berufen).

An diesem Punkt treffen sich Berufung und Taufe (auch die Namenstaufe):
Gott nimmt mich hinein in ein Leben in neuen Zusammenhängen.

Der Predigttext passt zu meinen Gefühlen in diesen Tagen. Wie oft möchte ich wie Johannes radikal raus aus diesem Leben und nur noch rufen: „Kehrt um! Tut Buße! So geht’s nicht!!“ Und dann kommt Jesus und nimmt mich mit auf einen Weg, wo „Radikalität“ nichts mehr mit Gewalt als Gegenmacht zu tun hat: „Liebe Gott. Liebe deinen Nächsten. Liebe dich selbst. Liebe deinen Feind.“ Und lädt mich ein auf einen Weg, der mitten hinein führt ins Leben: Mit Gott. Mit den Geschöpfen um mich herum. Mit meinen Feinden. Mit mir selbst.
Jesus hat die Jünger bei ihrem Namen gerufen…

Jesus ruft mich bei meinem Vornamen.
Der Name, der mich aussondert aus der Menge.

Jesus ruft mich bei meinem Nachnamen.
Der Name, der mich mit anderen verbindet.

Gott ruft mich bei den von mir übernommenen Namen – und bei den von mir selbst gewählten Namen.
Der (alte/neue) Vorname, mit dem ich mich angesprochen fühle.
Der (alte/neue) Nachname, der mich in die Zusammen-hänge setzt, in denen ich mich selbst sehe.

Gott ruft mich bei all meinen Usernamen.
Die Namen, die ich für bestimmte Zwecke gewählt habe.
Namen, die etwas sagen sollen.
Namen, die etwas verbergen sollen.

Auch Gott zeigt sich – mit all den Namen, die wir für Gott wählen.
Auch Gott verbirgt sich – trotz all der Namen, die wir für Gott wählen.

Jesus „lehrte“ nicht
„das eine Christentum“
mit „der einen Wahrheit“,
die „allen gelehrt werden muss“,
damit sie im Anschluss alle „dasselbe glauben“.

„In Jesu Namen.“
„In meinem Namen.“
In beidseitiger Hingabe geschieht Verwandlung. Heil. Heilung. Heiligung. Taufe.
Siehe, das Alte ist vorbei, Neues ist geworden.

„Du kommst zu mir?“, wundert sich Johannes der Täufer.
Jesus antwortet: „Lass es geschehen.“

Skip to content