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Die Abwesenheit Jesu kann eine Gute Nachricht sein.

Predigt MCC Köln 27. März 2016
Ines-Paul Baumann

Markus 16,1-8: Die Auferstehung / Die Botschaft des Engels im leeren Grab

„Er ist nicht hier!“

Was soll daran „Gute Nachricht“ sein?

Da macht sich eine Frau auf, um Jesus zu suchen, und bekommt zu hören: „Er ist nicht hier“!

Was wäre mit unseren Gottesdiensten, wenn hier verkündet würde: „Jesus ist nicht hier!“? Menschen machen sich auf, um Jesus zu suchen – und bekommen dann zu hören: „Er ist nicht hier!“?

Die Reaktion der Maria ist weit entfernt von jeglicher Osterfreude. Oster-Panik wäre eine passendere Bezeichnung angesichts ihrer Furcht.
Schon die Frühen Christen fanden eine solche Gefühlslage nicht so ganz passend als Ende für ein Evangelium – und haben schnell ein paar weitere Zeilen ergänzt.

Das Markus-Evangelium ist aber nicht das Einzige, das diese Szene so schildert. Auch im Matthäus-Evangelium ist die erste Erfahrung bezüglich Jesus nach seinem Tod von Furcht geprägt. Wenigstens fügt Matthäus aber bereits österliche Freude hinzu:

  • (Matthäus:) „Er ist nicht hier! (…) Und sie gingen eilends weg vom Grab mit Furcht und großer Freude“

Die Reihe lässt sich fortsetzen; in allen Evangelien bricht angesichts der Auferstehung Jesu nicht unmittelbar Freude aus.

  • (Lukas:) Die Emmaus-Jünger erkennen Jesus erst mal gar nicht, obwohl er schon längst an ihrer Seite läuft. Resigniert sind sie auf dem Weg weg von all ihren Hoffnungen (und Jesus geht diesen Weg einfach mit anstatt sie z.B. „positiv“ zu beeinflussen, ihnen gut zuzureden, sie eines Besseren zu überzeugen, …).
  • (Johannes:) Maria von Magdala „sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist“. Sie denkt, es sei der Gärtner – bis Jesus sie mit Namen anspricht, sie sozusagen „bei ihrem Namen ruft“.

Offenbar ist Ostern eben NICHT nur das Fest für diejenigen, die fest im Glauben stehen und einem auferstandenen Jesus ihr Leben übergeben haben.

„Er ist nicht hier“ – was daran soll eine Gute Nachricht sein?

„Er ist nicht hier!“ ist eine Gute Nachricht,
weil Ostern eben tatsächlich nicht nur ein Fest der Freude und Freudigen ist, sondern auch ein Fest, in dem ganz viel Raum ist auch für Furcht, Panik, Trauer, Schmerz, Zweifel, Resignation, Einsamkeit und Nicht-Glauben-Können. All das sind Gefühle und Begleitumstände, in deren Mitte Auferstehung geschieht (manchmal ohne dass diejenigen es mitbekommen, unter denen Jesus gerade verweilt).

„Er ist nicht hier!“ ist also eine Gute Nachricht,
weil ich die Auferstehung nicht aus mir heraus glauben muss. Ich muss nicht „Glauben produzieren“ über „positives Denken“ oder über MEINE Hoffnung und Zuversicht.
Wie bei Maria und den Emmaus-Jüngern gesellt sich Jesus auch dann an meine Seite, wenn ich gar nicht damit rechne und nichts davon mitbekomme – bis irgendetwas mir offenbart, dass er die ganze Zeit bei mir war (zum Beispiel inneres Angesprochensein, oder das gemeinsame Brotbrechen als Mahl oder Abendmahl).

„Er ist nicht hier!“ ist also eine Gute Nachricht,
weil Jesus unverfügbar ist – auch für mich. Auch für die MCC (und jede andere Kirche und Glaubensgemeinschaft). Jesus ist unverfügbar, auch für Erwartungen aus dem heraus, was mir bisher gut getan hat in meinem Glaubensleben. Sei es Lobpreis, Rosenkranz, Freiluft-Gottesdienste, Orgelmusik oder tolle Predigten – alles, was mir Jesus mal zugänglich gemacht hat und wo ich ihn weiterhin vermuten würde, kann sich als leeres Grab erweisen. Es werden andere Zeiten kommen, und dann ist Jesus vielleicht woanders, als ich vermuten würde – aber er lebt und ruft mich!

„Er ist nicht hier!“ ist eine Gute Nachricht,
weil auch diejenigen, die mich für Jesus an Orte schicken, in denen kein Leben mehr ist, nicht immer Recht haben müssen!

„Er ist nicht hier!“ ist eine Gute Nachricht,
weil Jesus hiermit auch dem Zugriff der Mächtigen entzogen wird, die ihn zum Schweigen bringen wollten, die ihn ruhig stellen wollten, die ihn aus dem Weg und aus der Welt schaffen wollten. Sie wollten Jesus ins Grab bringen – aber da ist Jesus nicht geblieben!

„Er ist nicht hier!“ ist eine Gute Nachricht,
weil die Auferstehung uns zurückschickt nach Galiläa – also den Weg weist zurück ins LEBEN Jesu. DORT finden wir das Leben des Auferstandenen. Mein Glaube muss nicht getragen sein von Zuversicht oder Glücksgefühlen, sondern kann einzig und allein darin gründen, auf das Leben und Wirken Jesu zu blicken. Wenn ich mich DAMIT beschäftige, wenn ich Jesu LEBEN betrachte, wenn ich Jesu WEG anschaue, dann begegne ich auf diesem Weg dem Auferstandenen.

„Er ist nicht hier!“ ist eine Gute Nachricht,
weil der Glaube an den Auferstandenen nicht auf WEIL-Begründungen beruhen muss, sondern auch und gerade vom TROTZDEM leben kann.
„Weil-Gründe“ können wegfallen.
„Ich glaube,
– weil Gott mich geheilt hat!“ (Und wenn die nächsten Metastasen kommen?)
– weil Gott mich bewahrt hat!“ (Und wenn meine Liebste morgen DOCH überfahren wird?)
– weil ich seitdem glücklich bin!“ (Und wenn ich morgen merke, dass ich ganz unglücklich bin??)
– weil es mir damit besser geht!“ (Und wenn ab morgen alles nur noch den Bach runter geht?)
… All das sind Erlebnisse und Gefühle von den „besten Christen“, von der Bibel durch die Geschichte bis heute! Ist dann der Glaube weg? Ist Jesus dann nicht mehr der Auferstandene, der Heiland, der Erlöser, der Befreier? Ist Gott von den Umständen abhängig?

„Er ist nicht hier!“ ist eine Gute Nachricht,
weil Glaube genau damit möglich ist auch angesichts all des fortwährenden Leidens in der Welt. Das Markus-Evangelium nimmt damit all diejenigen in Schutz, die angesichts all des Leids eben NICHT glauben können, die hoffnungslos sind, die aufgegeben haben, die verstört sind – das Markus-Evangelium zeigt Verständnis für sie. Ja, manchmal machen wir die Erfahrung, dass Jesus nicht hier ist….

„Er ist nicht hier!“ ist eine Gute Nachricht,
weil Jesus uns damit weglocken möchte vom Ort des Todes und der Verlassenheit, hin ins Leben und zu neuer Gemeinschaft. Manchem müssen wir dafür sterben und entsagen und Verzicht üben und nicht mehr zur Verfügung stehen – aber das endet nicht in Verlassenheit und Stillstand und Tod und bloßem Erinnern. Sondern das ist der Anfang eines neues Lebens – in dem auch unsere gesamte Vergangenheit einen neuen Platz findet, eine Zukunft bekommt und die Gegenwart erfüllt ist.

„Er ist nicht hier!“ ist eine Gute Nachricht,
weil zum Glück niemand mitbekommen hat, wann und wie Jesus auferstanden ist. Mitten in der Finsternis ist das geschehen. („Zum Glück“, weil sonst wieder manche alles ganz genau wüssten über Jesus.)
Mitten in der Finsternis, also am Rand des Lebens, umgeben von Dunkelheit und Einsamkeit. Da leben nur wenige, und nur wenige mit ihnen. Diejenigen, die nur im Licht und im Hellen unterwegs sind, ahnen nichts von der Tiefe und Bedeutsamkeit der Auferstehung.

„Er ist nicht hier!“ ist auch deswegen eine gute Nachricht,
weil sie so viel von dem aufgreift, wo auch wir mit einem toten Jesus besser klarkommen als mit einem quicklebendigen.
Was auch in dir möchte das, was Jesus gewirkt und verkündet und gelebt hat, zum Schweigen bringen?
Was auch in dir möchte alle Hoffnung begraben?
Was auch in dir baut mehr auf Pragmatismus, auf Sachzwänge, auf Alternativlosigkeiten, auf Anpassung?
Wo traust auch du dich nicht, dem Ruf ins Leben zu folgen? (Auch „aus guten Gründen“ nicht….)

„Er ist nicht hier!“ ist eine Gute Nachricht ,
weil tatsächlich „weder Tod noch Leben“ uns scheiden können „von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn“ ist (Röm 8,33). Also nicht: Solange wir in diesem Leben „gefangen sind“, können wir nicht mit Gott verbunden sein. Aber eben auch nicht: Wenn wir gestorben sind, können wir nicht mehr mit Gott verbunden sein (wie im Altes Testament oft gesagt: „Die Toten preisen deinen Namen nicht“).
Ich muss nicht dem Leben entfliehen, ich muss aber auch nicht dem Sterben entfliehen.
Was – und vor allem: wer! – soll mir dann noch Angst machen dürfen?

 

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