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(CSD 2013:) „Es geht auch anders. Aber so geht es auch!“ Wir feiern, so oder so…

20130706 CSD PoliturbühneCSD-Gottesdienst 2013
Politurbühne, Köln

Wir kommen aus (und unberührt von) unterschiedlichen Traditionen und Kulturen. Wir bringen unterschiedliche Erfahrungen, Gottesbezüge und Gottesdienstvorlieben (und -befürchtungen) mit. Lasst euch also nicht unter Druck setzen von dem, was eure Mitmenschen gerade sagen oder tun!
Was WIR für den Gottesdienst vorbereitet haben, können nur Einladungen sein, es sind keine Vorgaben. Wenn alle um euch herum etwas mitmachen, was ihr nicht mitmachen wollt – lasst es sein! Wenn alle um euch herum etwas nicht mitmachen, was ihr eigentlich gerne mitmachen würdet – macht es! Wir sind hier nicht versammelt im Namen von Gruppendruck, Ansprüchen, Gewohnheiten oder um alles „richtig“ zu machen. Wir sind hier versammelt in den vielen Namen Gottes: Vater, Mutter, Schöpferin, Quelle allen Lebens, Ewige, All-Eine, Unsichtbare … , die uns alle einlädt: So oder so… So und so…!

Impuls 1 (L.U.K.)

Wie wir in diesem liebevoll gestalteten und humorvoll vorgetragenen Anspiel gesehen haben, feiert der Mensch an sich gerne. Manchmal reicht als Anlaß für eine Feier nur die Tatsache, daß ein arbeitsfreies Wochenende vor uns liegt, wobei leider immer mehr Menschen auch am Wochenende arbeiten müssen, aber glücklicherweise kommen viele immer noch in diesem Genuß. Dann machen wir uns zurecht, treffen uns mit Freunden und reihen uns voll froher Erwartung ein in die Schlange vor der Pforte zur Glückseligkeit (für eine Nacht)… Aber umso größer fällt dann die Enttäuschung aus, wenn wir aus Gründen, die wir selber und unsere Freunde nicht nachvollziehen können, unbarmherzig abgewiesen und ausgeschlossen werden vom Ziel unserer Sehnsucht, der Intensität des Lebens, dem magischen Pulsieren der Nacht… Zu dieser schmerzvollen Enttäuschung gesellen sich noch andere Gefühle und Gedanke: Wut, Scham, Trauer, Perspektivlosigkeit .. „Das Leben läuft ohne mich weiter,… Ich bin ausgeschlossen von allem, was zählt… die wollen mich nicht, die Gesellschaft will mich nicht, ich bin falsch, aber eines TAges werde ich mich rächen…“

Wir feiern dieses Wochenende CSD in Köln, und dabei geht es nicht nur um die pure Lebensfreude sowie den ekstatischen Rausch, den man in einer Disco sucht, sondern ebenfalls um politische Inhalte. Wir demonstrieren für die Emanzipation derer, die traditionell als falsch und moralisch minderwertig angesehen werden, weil sie gleichgeschlechtlich oder beide Geschlechter lieben bzw. weil sie sich  mit dem biologischen Geschlecht nicht identifizieren können oder wollen oder auch von der Identität oder der Biologie her zwischen den Geschlechtern stehen. Politik ist keine graue Theorie oder erschöpft sich im Kampf um andere, modernere Gesetze, sondern berührt durchaus auch unsere Gefühlswelt. In der politischen Arbeit versuchen die Veranstalter und Mitwirkenden des CSD, das gesellschaftliche Klima, das jeder von uns automatisch ein wenig mitgestaltet, durch Aufklärung und Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit hin zu mehr Toleranz und Akzeptanz zu verändern. Dabei soll und muß der Spaßfaktor dennoch nicht zu kurz kommen, und dies sehe ich als ein herausragendes Merkmal des CSD, als Fest mit politischer Botschaft.

Heute Morgen feiern wir innerhalb des CSD-Festes auch noch einen Gottesdienst. Wir möchten dieses religiöse Fest nicht so gestalten, daß wir als arme, sündige und merkwürdige Geschöpfe vor Gott im Staube kriechen und geloben, ihm fortan noch demütiger und hingebungsvoller zu dienen, denn so verstehen wir das Wort „Dienst“ in „Gottesdienst“ gerade nicht. Sondern wir wollen ganz bewußt feiern, daß Gott seine Schöpfung in der Vielfalt liebt und deswegen auch jede/jeden einzelnen von uns bejaht und liebt. Aber wir feiern das nicht, weil wir uns in allen Lebenslagen stets geliebt fühlen und selber akzeptieren, stark im Glauben und tatkräftig im Engagement für den Nächsten und für eine bessere Welt sind. Sondern es darf jeder, jede und jeder Mensch eines dritten oder vierten Geschlechtes mitfeiern, egal an welchem Punkt in seiner Lebensgeschichte er gerade steht und egal, aus welcher gesellschaftlichen Ecke sie herkommt oder wie dieser Mensch über sich selber oder über Gott denkt. Feiern ist manchmal auch einfach so Mitmachen oder sich selbst Herausnehmen und nur mal Zuschauen oder vielleicht was Probieren, Verwerfen, in Opposition Gehen… Es ist ein Heraustreten aus dem Alltagstrott, vielleicht auch aus den eingefahrenen Gedanken- und Gefühlsmustern des Alltags, und hierzu möchte ich Euch ermutigen.

Wir wollen gemeinsam feiern, in aller Unterschiedlichkeit der Gottesvorstellungen und Weltanschauungen, in der Unterschiedlichkeit der gesellschaftlichen Stellung, der Lebenszufriedenheit, der Gesundheit, des Alters, der ethnischen Zugehörigkeit, der Lebenserfahrungen. Wir wollen auch die Anteile in uns selber mitfeiern lassen, die uns weder sympathisch noch geheuer sind und den anderen ihre Anteile lassen, mit denen wir Probleme haben. Ebenfalls unsere Gottesbilder haben Brüche und Schwierigkeiten, die wir nicht wegschieben müssen, sondern die auch mitfeiern dürfen. Dazu laden wir Euch ein.

Impuls 2 (Daniel Großer)

Der Mensch an sich feiert ganz gerne, da stimme ich meinem Vorredner an. Die Personen aus unserem Anspiel feiern auch. Und sie feiern trotzdem. Nicht jeder, der vom Türsteher am Club abgewiesen wird, mag noch so viel Feierlaune besitzen. Der Grat zwischen Abgrenzung und Ausgrenzung ist schmal. Sehr schmal. Und Zeit unseres Lebens stehen wir mal auf der einen, mal auf der anderen Seite.

Christliche Kirchen haben sich immer wieder an der Frage gespalten, wer dazugehört, und wer nicht. “Wenn du nicht richtig getauft bist/die Bibel nicht so wörtlich nimmst/nicht die gleichen Überzeugungen hast/dich nicht an diese oder jene Regel hältst, dann gehörst du nicht zu uns.”

In weiten Teilen eine unrühmliche Geschichte, von der insbesondere viele Regenbogenmenschen ein Lied singen können.

Der Mensch an sich feiert ganz gerne. Das trifft auch auf Kirchen zu, wo ja schließlich das Abendmahl geFEIERt wird. Doch ausgerechnet hier haben viele Menschen Abgrenzung und Ausgrenzung erlebt.

Alle christlichen Kirchen feiern das Abendmahl. Wenn sie es aber gemeinsam oder mit bestimmten Menschen feiern sollen, bricht plötzlich Streit aus. Dann gibt es theologische Türsteher, die die einen oder anderen auf gar keinen Fall reinlassen.

Das Abendmahl erinnert an ein Ereignis vor 2000 Jahren. In der Nacht, in der Jesus verhaftet werden sollte, saß er zu Tisch und speiste mit seinen engsten Jüngern. Und er trug ihnen auf, sich an dieses Abendmahl zu erinnern.

Mit seinen Freunden und Freundinnen zu Abend zu essen, das ist seit tausenden von Jahren keine Besonderheit, besonders im mittleren Osten nicht. Es ist auch kein Geheimnis, dass ein jüdischer Rabbi Schüler um sich schart und sie lehrt. Selbst das Einsperren und Hinrichten unliebsamer Querdenker ist keine Neuigkeit der Geschichte. Was macht dieses so gewöhnliche Ereignis des Abendmahls so wichtig, dass es seit zweitausend Jahren zugleich Kern des christlichen Glaubens UND bitterböser Zankapfel ist?

Ich bin überzeugt, dass die herausragende Besonderheit dieses Abendessens nicht allein in dem liegt, was dabei geschah oder gesagt wurde – sondern darin, wer daran teilnahm.

Jesu Jünger waren so unterschiedlich, wie wir sie uns nur vorstellen können. Vom Handwerker über den Finanzbeamten bis hin zum Rebellen. Eine in sich äußerst unwahrscheinliche Mischung von Menschen, die sich heute wie damals wohl eher nicht unter dem gleichen Dach getroffen hätten.

Der unwahrscheinlichste Gast dieser Runde jedoch ist Jesus selbst. Christen glauben, dass in Jesus Gott selbst auf diese Welt kam. Und dieser Jesus lädt seine Schüler und Schülerinnen als Freunde zum Abendessen. Als Freunde sind sie eingeladen.

Die Bibel erzählt uns in der Abendmahlsgeschichte und an vielen anderen Stellen von einem Gott, der einladend ist, und dessen Einladung die unterschiedlichsten Menschen erreicht, mitten im Leben. Sie zeigt uns einen Gott, die ihre Menschen als wertvolles und unverzichtbares Gegenüber betrachtet. Die Freude an der intensiven, authentischen und hautnahen Begegnung mit ihren Menschen hat. [Die Frau, die Jesus mit ihren Haaren die Füße trocknet; Petrus auf dem Wasser; …]

Der Gott der Bibel inspiriert seine Menschen und eröffnet ihnen neue Lebenshorizonte.

20130706 CSD PoliturbühneUnd ich erkenne in der Bibel Gott als eine Person, deren Einladung sich nicht von notwendigen Vorbedingungen oder hanebüchenen Ansprüchen abhängig macht. Ich brauche nicht die richtigen Schuhe, die richtige Frisur, das richtige Makeup, den richtigen Lebenslauf, die richtige Sexualität oder Sexualidentität, um von Gott eingeladen zu werden, ihr zu begegnen.

Und genau so verstehe ich das Abendmahl, von dem uns die Bibel berichtet. Es ist eine offene Einladung: Gott lädt dich und mich herzlich ein, ihr zu begegnen.

Von christlichen Kirchen wünsche ich mir, dass sie diese Einladung ernst nehmen als eine Einladung, die nicht von ihnen, sondern von Gott stammt. Dass sie nicht ausladen, wo Gott einlädt. Dass sie im Feiern des Abendmahls Orte der Gottesbegegnung sind, wo Raum für Menschen ist. Ich wünsche mir, dass Kirchen ein bisschen wie unsere kleine Schicksalsgemeinschaft aus dem Anspiel sind, die Gemeinschaft an ganz unverhofften Orten gestalten.

CSD-Gottesdienst

Fürbitten

Du, Jesus Christus, wurdest auf die Erde geboren als Mensch. Als der gingst du deinen Lebensweg mit allen Höhen und Tiefen. Du wurdest geliebt, angefeindet und verspottet. In deinem Leben erlebtest du die Anfeindungen, die ein Mensch erlebt, wenn er seine Meinung und sein Weltbild offen äußert, und auch so vielleicht Regierungen und Machthaber angreift.

Du lebtest nicht nur dein Leben als Mensch. Du starbst auch als Mensch… am Kreuz neben verurteilten Verbrechern. Dabei wolltest du nur die Liebe Gottes an uns Menschen weitergeben und die Menschen lehren, untereinander Liebe weiterzugeben.

Doch Du, Herr, bist wieder auferstanden und hast uns so gezeigt, dass der Tod nicht das Ende ist und Gewalt nie das letzte Wort hat.

Noch heute herrschen viele Ungerechtigkeiten auf der Welt, bei denen wir Menschen manchmal das Gefühl haben, ihnen nur wenig entgegensetzen zu können. Wir können uns aber mit den Fürbitten an dich wenden, in der Hoffnung, dass du uns erhörst und hilfst.

  • Wir wollen, dass unser persönlicher Lebensentwurf von anderen akzeptiert wird. In Deutschland dürfen wir verschiedene Sexualitäten und geschlechtliche Identitäten offen leben, ohne Angst vor Verfolgung von Seiten des Staates haben zu müssen. In vielen Ländern ist das anders. Homosexuelle und Transgender werden aus religiösen Gründen abgelehnt, angefeindet und rechtlich bestraft. Viele fliehen, weil sie es nicht mehr ertragen, ihre persönlichen Gefühle zu verstecken und sich zu verstellen. Leider gibt es auch in Deutschland, vor allem in fundamentalistischen christlichen Kreisen, eine Abneigung gegen alles, was nicht heterosexuell lebt. Jesus, schütze und stärke die Menschen, die Ablehnung erleben. Hilf ihnen dabei, Gleichgesinnte zu finden und gemeinsam eine Lobby aufzubauen, um für ihr Recht auf freie Lebensgestaltung zu kämpfen. Gib den Verfolgern die Erkenntnis, dass es nicht in deinem Sinne ist, Menschen, die anders leben, zu verurteilen. Jeder Mensch ist liebenswert, weil er durch dich geschaffen wurde und von dir geliebt wird, so wie er ist.
    Christus erhöre uns
  • Einige Menschen glauben, dass sie sich deine Liebe erst mal verdienen müssen, oder sie glauben, dass sie im Leben zu viel Schuld auf sich geladen haben. Oft hat die Kirche zu diesen Gedanken beigetragen, weil sie Menschen Schuld eingeredet hat. Viele Menschen nehmen deshalb auch nicht mehr am Abendmahl teil. Sie denken, nur privilegierte Menschen sind dazu eingeladen. Dabei lädst du doch jeden dazu ein. Egal ob geschieden, homosexuell, transgendered, suchtkrank und vieles mehr. Herr, mache jedem Einzelnen bewusst, dass auch er/sie gemeint ist, wenn es heißt: Du lädst alle ein. Gib ihnen das Selbstwertgefühl wieder, was ihnen durch Schuldzuweisung und negative Beurteilung von Seiten der Kirchen genommen wurde. Mach sie frei davon, damit sie sich wieder öffnen gegenüber deinem Geist, deiner Liebe, Treue und deiner Zuversicht.
    Christus erhöre uns
  • Es gibt viele Menschen, die den Glauben an dich verloren haben. Sie haben das Gefühl, von dir alleine gelassen worden zu sein. Andere haben den Glauben an dich nie entdeckt. Sie haben sich eigene Götter erschaffen, wie Schönheit, Geld und Erfolg im Beruf. Herr, mach ihnen bewusst, dass du der einzig wahre Gott bist und auch sie von dir zum Abendmahl eingeladen werden.
    Christus erhöre uns
  • In vielen Ländern werden Menschen verfolgt, weil sie nicht die dort heimische Religion annehmen wollen. Unter anderem werden Christen/innen in muslimischen Ländern oder buddhistischen Ländern verfolgt. In Deutschland sind Muslime/Muslima im Sport-, Wander-, Karnevalsverein oft nicht gerne gesehen, und Atheistinnen oder Anhänger östlicher Traditionen müssen sich oft verteidigen gegen Angriffe aus religiösen Lagern. Herr, gib den Verfolgern Einsicht, dass sie erkennen, dass du nicht willst, dass Menschen in deinem Namen umgebracht oder vertrieben werden. Schütze das Leben aller Menschen, egal auf welche Weise sie ihrem Glauben und ihren Zweifeln Gestalt verleihen.
    Christus erhöre uns
  • Viele Menschen überall auf der Welt setzen sich für die Wahrung der Menschenrechte ein, auch für LGBT-Menschen. Politische und religiöse Führer versuchen, Aktivisten/ Aktivistinnen noch zu oft mundtot zu machen, indem sie sie einsperren, foltern und unter Hausarrest stellen. Auch der CSD ist eine Form von politischem Protest vor allem in Ländern, in denen Homosexualität noch kaum gesellschaftliche Akzeptanz erfährt. Dort sehen sich die Demonstrierenden oft verbaler und manchmal sogar körperlicher Attacken ausgesetzt. Schütze alle CSD-Teilnehmenden und -Besuchenden und gib ihnen Mut und Energie, weiter zu sich und ihren Partner/innen und Angehörigen zu stehen. Schütze auch alle anderen politische Aktivisten/innen, die sich überall auf der Welt für Freiheit und Demokratie einsetzen.
    Christus erhöre uns
  • Wir denken noch einen Moment an die Menschen in unserem Umfeld, die deiner und unserer Hilfe bedürfen
    ::: Stille :::
    Christus erhöre uns

Gott, wir wollen dich aber nicht nur bitten, sondern dir auch danken für alle religiösen Gemeinden und Einrichtungen, die niemanden ausgrenzen wegen ihren persönlichen Lebensentwürfen und ihren Fehlern. Wir danken dir auch für alle in der Politik, die sich für die Gleichstellung und Akzeptanz von homosexuellen Lebensgemeinschaften und Regenbogenfamilien einsetzen, und für die vielen Menschen, die sich ehrenamtlich (z.B. bei der Aidshilfe oder anderen Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen) engagieren.
Amen.

 

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