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Bildung als Machtfaktor erkennen, aber nicht anerkennen

Predigt MCC Köln, 26. Juni 2016
Ines-Paul Baumann

1. Korinther 1,18-25 „Die Weisheit der Welt ist Torheit vor Gott“

Bildung ist ein Machtfaktor. Bildung schafft Zugänge – zu Geld, Gütern, Titeln, Positionen und Einfluss.

In Glaubensfragen halten manche dagegen Un-Bildung für den entscheidenden (Macht-)Faktor. Nur Ungebildete könnten für wahr halten, was im Glauben verkündet wird. (Und sich damit von denen entmachten lassen, die die Deutungshoheit darüber in Anspruch nehmen.)

Für Menschen, die nicht glauben können (oder wollen), ist das, was wir hier tun, großer Unsinn. Für viele ist es sogar ein Ärgernis. Wie können wir unser Vertrauen auf jemanden setzen, der hingerichtet wurde, der verlacht wurde, der gequält wurde – der am Ende dastand wie ein Verbrecher, ein Aufrührer, ein Unruhestifter? Wie können wir auf einen Gekreuzigten schauen und darin etwas finden, was uns mit Gott verbindet? Wie kann der Inbegriff von Schwäche und Unrecht für uns zu einem Inbegriff von Gottes Kraft geworden sein? Sie verstehen das nicht und es erscheint ihnen unsinnig. Wie oft ernte ich Blicke von Mitleid bis Empörung, wenn ich mich außerhalb christlicher Kreise zu meinem Glauben bekenne! Ich sinke in ihrem Ansehen; es fällt ihnen schwer, mich überhaupt noch ernst zu nehmen.

Solche Erfahrungen haben eine lange Geschichte. Schon im Alten Testament finden sich solche Erfahrungen. Einer der Kritiker seiner Zeit damals formulierte das so: „Die Weisheit derer, die als weise gelten, wird Gott zunichte machen.“ (Jesaja 29,14) Oder in der Übertragung der Volxbibel: „Für Gott ist es wurscht, wie intelligent einer ist, und selbst wenn jemand glaubt, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, da steht Gott drüber! Obwohl man überall sehen kann, wie genial Gott eigentlich ist, konnten sie ihn mit ihrem Hirn nicht begreifen.“

Das ist nicht gegen Weisheit an sich gerichtet. Die Weisheit nimmt in der gesamten Bibel eine hohe Stellung ein. Aber Weisheit ist etwas anderes als Bildung und Intelligenz. Und gerade Bildung und Intelligenz dürfen keine Voraussetzungen sein, wenn es darum geht, dass jemand Gott sucht.

Was die Klugen, Gebildeten und Vordenker unserer Welt mitbringen, ist keine Voraussetzung für den Zugang zum Glauben:
Die Klugheit der Klugen ist keine Voraussetzung, um Zugang zu Gott zu finden.
Die Bildung der Gebildeten ist keine Voraussetzung, um Zugang zu Gott zu finden.

Ich kann das alles mitbringen, ich kann klug sein, ich kann intelligent sein, ich kann das auch alles entfalten, um meinen Glauben zu entdecken und zu vertiefen!

Aber was wäre das für eiin Gott, der nur denen zur Verfügung steht, die lange genug dafür studiert haben? Nur denen, die begrifflich und geschichtlich alles korrekt erfassen? Nur denen, die jahrelange Kurse absolviert haben? Sollte Gott denen, die irgendwelche Titel erworben haben, näher stehen? Was wäre das für ein Gott?

Muss ich genug Zeit haben müssen? Das Richtige gelernt haben? Die richigen Leute kennen, zum Beispiel spirituelle Meister? Das mag für Einzelne alles hilfreich sein. Aber es darf keine Voraussetzung werden. Wer keinen spirituellen Meister hat? Wer nicht gebildet ist? Wer nicht jahrelang Kurse belegt und sich weitergebildet und sich entwickelt? Denen soll Gott ferner stehen?

Es spricht ja nichts dagegen, Zeichen und Wunder von Gott zu erwarten.
Es spricht auch nichts dagegen, philosophisch Fragen zu durchdenken und Antworten zu suchen.
Nur darf das nicht zum Maßstab werden:
Wenn ich Gott NUR NOCH da erwarte, wo Zeichen und Wunder geschehen.
Wenn ich Gott NUR NOCH da erwarte, wo Menschen tiefschürfende Gedanken austauschen.

Diese Erwartungshaltung ist das Problem – denn sie stellt Bedingungen. Gott nur noch da zu erwarten, wo guter Lobpreis gesungen wird, wäre auch nicht besser. Oder nur da, wo eine Orgel erklingt, oder eine Regenbogenfahen hängt, oder ein Kreuz hängt (oder umgekehrt: wo KEIN Kreuz hängt), oder wo bloß keine Buddhafigur steht (als könnte eine Buddhafigur Gott „vertreiben“, aber naja). Worum es mir geht: Wir können die Gegenwart und Zuwendung Gottes nicht an Bedingungen knüpfen. Und Bildung und Intelligenz oder Wunderglaube sind solche Bedingungen.

Und ja: Gott entzieht sich nicht nur unseren Vorstellungen und unseren Bedingungen, sondern manche davon stellt Gott auch gerne mal auf den Kopf. Dann erscheint genau da, wo die Erwartung an Stärke, Logik und Wunder zerbricht, plötzlich eine Gotteskraft auf – eine Gotteskraft, die noch viel tiefer und umfassender ist als alles, was uns mit Logik und Wissen jemals zugänglich war.

Gottes vermeintliche Ohnmacht stellt alle menschliche Stärke in den Schatten. Gottes Wesen und Wirken übersteigen „das menschliche Vorstellungsvermögen. Was bei ihm als schwach rüberkommt, ist in Wirklichkeit der Megablow schlechthin“, um nochmal die Volxbibel zu zitieren.

Unsere eigenen Reihen zeugen davon.
In der Praxis ist das manchmal eine ganz schöne Herausforderung. Ich habe mal mitbekommen, wie jemand gesagt hat, dass wir eine „anstrengende Sozialkultur“ haben. Ich fand diese Bemerkung so wichtig, dass ich ihr Raum unter unseren FAQs gegeben habe:
„Ich habe gehört, die MCC Köln hätte eine anstrengende Sozialkultur. Stimmt das?“ >

Der heutige Predigttext fügt dem Ganzen nun noch einen Aspekt hinzu: Gott hat es wohlgefallen, sich in all unserer Vielfalt an Bildungsgraden und Intelligenzquotienten zu offenbaren – also als ein Gott, der uns genau so annimmt, wie wir sind.
Was immer andere auch von uns sagen mögen, weil Einzelne von uns etwas mehr oder etwas weniger klug daherreden können: Genau diesem Einteilen und Verurteilen zieht Gott den Zahn.
Bildung, Wissen und Denkvermögen sind keine Voraussetzungen (weder das, was ich davon habe, noch das, was ich davon nicht habe)!

Was die Zusammensetzung von Gemeinden angeht, ist die MCC Köln geradezu ein Vorbild an Bibeltreue:

Seht euch doch einmal in euren eigenen Reihen um, Geschwister: Was für Leute hat Gott sich ausgesucht, als er euch berief? Es sind nicht viele Kluge und Gebildete darunter, wenn man nach menschlichen Maßstäben urteilt, nicht viele Mächtige, nicht viele von vornehmer Herkunft.
Im Gegenteil: Was nach dem Urteil der Welt ungebildet ist, das hat Gott erwählt, um die Klugheit der Klugen zunichte zu machen, und was nach dem Urteil der Welt schwach ist, das hat Gott erwählt, um die Stärke der Starken zunichte zu machen.
Was in dieser Welt unbedeutend und verachtet ist und was ´bei den Menschen` nichts gilt, das hat Gott erwählt, damit ans Licht kommt, wie nichtig das ist, was ´bei ihnen` etwas gilt.
Denn niemand soll gegenüber Gott ´mit vermeintlichen Vorzügen` prahlen können.

1. Kor. 1,26-29

Mich persönlich bringt das manchmal an meine Grenzen. Genau das bringt mich aber auch immer wieder darüber hinaus. Mir tut es gut, wenn meine Bildung und meine Inteligenz sich nicht als Bedingung oder Voraussetzung erweisen, um von Gott gesegnet und angenommen zu sein. Erst so bin ich frei geworden, mich auch damit wirklich anzunehmen. Geholfen hat mir dabei kein Abschlusszeugnis, keine Meditation, keine Einöde, kein spiritueller Meister und kein Seminar. Geholfen hat mir diese Gemeinde: Ihr, genau so wie ihr seid. In all eurer Vielfalt. Euer Dasein, eure Gemeinschaft, eure Liebe und euer Glaube. Mannchmal seid ihr anstrengend, manchmal seid ihr ein Segen. Ich danke euch.

Wenn ihr also nächstes Mal einer begegnet, die euch klug und schlau und gebildet zu denken scheint: Freut euch darüber, dass das weder Voraussetzungen noch Hindernisse sind, um Teil von Gottes geliebter Gemeinschaft zu sein.

Und wenn ihr nächstes Mal einer begegnet, die euch fehlerhaft und unexakt und unscharf zu denken scheint: Freut euch darüber, dass das weder Voraussetzungen noch Hindernisse sind, um Teil von Gottes geliebter Gemeinschaft zu sein.

 

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